GESUNDHEIT: KAUM IST PLATZECK WEG, SOLLEN PAUSCHALEN KOMMEN
: Erster Test für den neuen SPD-Chef

Qualität geht vor Schnelligkeit – dieses Motto hatte die große Koalition für die Reform des Gesundheitswesens ausgegeben. Eigentlich sollte erst einmal eine Arbeitsgruppe brüten. Nun aber tischt Unionsfraktionschef Volker Kauder bereits einen detaillierten Plan auf, wie die Sache laufen soll. Es mag Zufall sein, dass dies am Tag nach dem Rücktritt von SPD-Chef Matthias Platzeck geschieht. Aber daran zu glauben fällt schwer. Zumal das Unionskonzept Ideen enthält, die Platzeck ablehnte. Die Sozialdemokraten, allen voran ihr neuer Chef Kurt Beck, wirken jedenfalls überrumpelt.

Es wäre perfide, wenn die Union bewusst Becks Einarbeitungszeit ausnutzte. Auf jeden Fall ist ihr Vorstoß taktisch klug: Kauders Konzept wird als Kompromissvorschlag verkauft und hat gute Chancen, von all jenen goutiert zu werden, die sich von der großen Koalition vor allem „Handlungsfähigkeit“ wünschen. Geschickt tut Kauder so, als habe er den goldenen, „dritten Weg“ zwischen Bürgerversicherung (SPD) und Kopfpauschalen (CDU) schon gefunden. Doch das ist eine Täuschung.

Als Lockmittel für die Sozialdemokraten dient der „Gesundheitssoli“: Die Krankenversicherung aller Kinder soll von allen Steuerzahlern finanziert werden. Klingt gerecht und solidarisch, hat aber einen Pferdefuß: Privat versicherte Gutverdiener könnten davon profitieren. Was sie bisher für ihre Kinder zahlten, dürfte kaum durch entsprechend höhere Steuern ausgeglichen werden.

Nur scheinbar annehmbar ist auch Kauders Vorschlag, die Kassenbeiträge auf dem jetzigen Stand einzufrieren. Das entlastet die Lohnnebenkosten, funktioniert aber nach Kauders Vorschlag nur, wenn die Versicherten künftig alles, was in der Gesundheit teurer wird, über eine „zusätzliche Prämie“ finanzieren, also eine – anfangs! – kleine Kopfpauschale. Der Trick dabei: Zu Beginn der Reform bräuchte es die Pauschale gar nicht, aber der Einstieg wäre beschlossen – und eine stetig steigende, einseitige Belastung der Versicherten nicht aufzuhalten. Aus gutem Grund hatte Platzeck deshalb jegliche Pauschalen abgelehnt. Kauders Vorschlag ist ein Test für Beck. LUKAS WALLRAFF