hört auf den Sound der Stadt

FATMA AYDEMIR

Es muss ja nicht immer so subtil sein. Was im Bereich der Künste oft als stilistischer Glanz gewertet wird (dass eine Aussage verschlüsselt, ironisch oder gar rein abstrakt angelegt ist), führt nämlich im Politbetrieb gleich Sinnleere und damit das große Scheitern herbei, wie ja die Wahlen am vergangenen Sonntag einmal mehr bewiesen haben dürften. Wenn aber Politik und Popmusik zusammentreffen, dann darf auch mal mit grellen Farben ausgemalt werden, was einen an den gegenwärtigen Zuständen stört und wie eine bessere Gesellschaft aussehen sollte. Camilo Lara etwa macht keinen Hehl aus dem, wofür er steht. Der DJ und Produzent nennt sein aktuelles Musikprojekt Mexican Sound Institute und möchte damit ein Zeichen für seine Herkunft setzen und zugleich gegen den korrupten Staat und dessen Verwicklungen in den seit 2006 andauernden Drogenkrieg. Klanglich gestaltet er das Ganze weitaus spaßiger, als man vermuten würde. Electronische Musik und Dub werden mit Cumbia und Cha-Cha-Cha gemischt. Dabei hört man aber auch stets heraus, dass Laras Herz vorrangig für den HipHop schlägt. Schmutzige Drums treffen auf gedämpfte Samples; mal gibt es wundervoll geloopte Bläsersätze, mal schweren Downbeat zum Kopfnicken in Zeitlupe. Mit seinem neuen Album, das den nicht besonders subtilen Titel „Politico“ trägt, kommt Camilo Lara am Donnerstag ins Gretchen (21 Uhr, Obentrautstr. 19-21, 8/12 €).

Ebenfalls am Donnerstag gibt es Musik aus einer ganz anderen Zeit und einer anderen Region, nämlich aus Quasi-Europa, Nicht-mehr-Europa, Eurasien, oder wie auch immer man es nennen möchte. Während nämlich die Türkei, oder vielmehr die türkische Regierung, heute alles, was rebellisch anmutet, als Verschwörung aus dem Westen abtut und damit umgekehrt bei ihren Unterstützern eine Abneigung gegenüber der westlichen Kunst und Kultur erzeugen möchte, zeichnete die großen Höhepunkte der türkischen Popmusik in den 60er und 70er Jahren gerade die Bastardierung von orientalischem Kulturgut und westlichen Einflüssen aus. Wer diese sehr speziellen Rock- oder Funkstücke mit türkischen Melodien und Instrumenten schon mal gehört hat, der weiß: Da geht einem das Herz auf. Ähnlich erging es auch Holger Lund, DJ, Musikforscher und Professor für Mediendesign, der nun Stücke aus der frühen Phase des Zusammentreffens von traditioneller Musik und internationalem Pop auf der Kompilation „Saz Beat“ versammelt. Zum Record-Release im General Public (20 Uhr, Schönhauser Allee 167c) gibt es neben dieser tollen Musik auch einen Vortrag von Lund zum Thema „Anatolian Rock – Phenomena of Hybridization“.