piwik no script img

Kim, Kim und noch einmal Kim?

Nach Kim Il Sung und Kim Jong Il könnte Nordkorea eine dritte Generation Kim blühen. Geheimdienstkreise und Experten sehen Anzeichen dafür, dass der jetzige Diktator dabei ist, einen seiner Söhne als seinen Nachfolger aufzubauen

VON MARCO KAUFFMANN

Es war ein rauschendes Fest. Auf Einladung des Ministeriums der Volksstreitkräfte tanzten am vergangenen Samstag in Nordkoreas Hauptstadt Pyongyang Tausende zu Liedern wie „Erfüllt vom Stolz, durch General Kim Jong Il geführt zu werden“ und „Wir verteidigen das Zentrum der Revolution mit unserem Leben“. Der Jonsungplatz in der Hauptstadt habe sich in ein „Meer von Tänzern“ verwandelt, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA. Gefeiert wurde Machthaber Kim Jong Il am 13. Jahrestag seiner Ernennung zum Vorsitzenden der Nationalen Verteidigungskommission. Am Samstag steigt bereits die nächste Party. Der 15. April gehört Kim Il Sung, dem 1994 verstorbenen Staatsgründer und Vater von Kim Jong Il. Er wäre dieses Jahr 94 geworden.

Nordkoreas Propaganda preist zwar den revolutionären Weitblick der beiden Kim-Führer, gab bislang aber wenig Hinweise, wer das Land in Zukunft lenken soll. Kim Jong Il ist 64 und nicht für einen gesunden Lebenswandel bekannt. Sein Vater hievte ihn mit 32 Jahren ins Politbüro und legte damit die Grundlage für die einzigartige kommunistische Erbfolge. Die Nation wurde jahrzehntelang auf Kim Jong Il eingestimmt.

Nun wollen südkoreanische Geheimdienstkreise erneut Anzeichen gefunden haben, wonach das geheimnisvolle Büro 10, das sich um die Glorifizierung der Herrscherfamilie kümmert, eine dritte Generation Kim aufbaut. Anstecknadeln mit dem Gesicht Kim Jong Chols, einem der drei Söhne des amtierenden Diktators, seien am Revers von Beamten gesichtet worden. Von Überläufern aus dem Norden war zu vernehmen, an öffentlichen Gebäuden würden Porträts von Kim Jong Chol aufgehängt.

Von Kim Jong Chol existiert ein Foto, das ihn mit schwarzem lockigem Haar und schiefem Lachen zeigt. Im Oktober 2005 befand sich der heute 24-Jährige angeblich im Begleittross des Vaters bei einem Staatsbesuch in China. Ein mögliches Indiz für seine Rolle als Kronprinz.

Professionelle Nordkorea-Deuter verweisen auf die Umstände der ersten Erbfolge. Nachdem Kim Jong Il auserwählt wurde, prophezeiten die Staatsmedien dem Land ein neues „Zentrum der Partei“. Vor zwei Jahren wurde ein gewisser Paek Se Bong mit einem Schlüsselposten in der wichtigen Nationalen Verteidigungskommission bedacht. Se Bong heißt: „Neuer Gipfel“. Hinter dem Pseudonym könnte sich Kim Jong Chol verbergen. Gegen diese These sprechen allerdings die Aussagen von Kim Jong Ils ehemaligem Sushi-Chef. Der will gehört haben, wie Kim Jong Il seinen mittleren Sohn als mädchenhaft verhöhnte. Als Vater der Nation komme dieser Weichling nicht in Frage.

Kim Jong Ils ältester Sohn, Jong Nam, hat sich selbst disqualifiziert. Er machte sich 2001 auf ins Tokioter Disneyland und ließ sich in Japan mit einem gefälschten Pass erwischen. Eine Blamage für Nordkoreas Herrscherfamilie, ausgerechnet auf dem Territorium des Intimfeindes. Eine geradezu phantomhafte Existenz führt der jüngste Sohn: Nicht einmal ein Foto von Jong Un ist bekannt.

Anders als seinem Vater, dem charismatischen Kim Il Sung, fehle Kim Jong Il die Autorität, einen Nachfolger zu installieren, glauben einige Nordkorea-Experten. Rüdiger Frank von der Universität Wien vergleicht die erste Generation der Herrscherfamilie mit der Sonne, die zweite mit dem Mond. Nur die Sonne (Kim Il Sung) strahle aus eigener Kraft. Ob der Mond (Kim Jong Il) genügend Leuchtkraft habe, um einen seiner Söhne aufleuchten zu lassen, sei fraglich. Umso mehr, als Nordkorea seit Anfang der 90er-Jahre wirtschaftlich dem Abgrund entlang schrammt. Als Kim Il Sung in den 1970er-Jahren seinen Filius als Nachfolger einführte, herrschte dank der Unterstützung der Sowjetunion sozusagen Hochkonjunktur.

1994, nach dem Tod des Staatsgründers, zirkulierten bereits Gerüchte, ein Teil des Militärs habe gegen Kim Jong Ils Machtübernahme rebelliert. Während der Hungersnot der 90er-Jahre, die zwischen eineinhalb und drei Millionen Menschen das Leben kostete, wurde die Armee bei der Ernährung bevorzugt. Damit hielt sich der Juniordiktator über Wasser.

Wer könnte nach Kim Jong Ils Ableben die Macht an sich reißen, wenn nicht ein Sprössling aus der Herrscherfamilie? Die plausibelste Variante: eine Militärjunta. Nur muss man sich fragen, ob ein Nachfolger überhaupt nötig ist. Kim Il Sung, der verstorbene Staatsgründer, lenkt aus dem Jenseits als „Ewiger Präsident“ die Geschicke des Landes – verfassungsmäßig garantiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen