25 Jahre Haft für argentinischen Juntachef

MENSCHENRECHTE Wegen Verbrechen in der berüchtigten Folterkaserne Campo de Mayo muss der 82-jährige Reynaldo Bignone ins Gefängnis

„Heute ist ein guter Tag für alle Argentinier“

ESTELA DE CARLOTTO, „GROSSMÜTTER DER PLAZA DE MAYO“

AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT

Die argentinische Justiz zieht die obersten Machthaber der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 zur Rechenschaft. Am Dienstag wurde mit Reynaldo Benito Bignone erstmals ein Ex-Juntachef wegen Menschenrechtsverbrechen zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Bundesgericht in San Martín in der Provinz Buenos Aires sprach Bignone der Folter, Entführung und Freiheitsberaubung in 56 Fällen schuldig. Bignone war der letzte Chef der Junta vor dem Abtritt der Militärs.

Die Verbrechen wurden in der berüchtigten Kaserne Campo de Mayo in der Zeit von 1976 bis 1978 verübt. Auf dem Gelände befanden sich zwei der größten illegalen Gefangenenlager in der Provinz Buenos Aires. Reynaldo Benito Bignone war bis 1980 Leiter der Kaserne Campo de Mayo. Im Juni 1982 hatte Bignone den Chefposten der Junta übernommen, nachdem sein Vorgänger Leopoldo Galtieri wegen der Niederlage im Falklandkrieg gegen Großbritannien zurückgetreten war. 1983 gab Bignone die Macht an den frei gewählte Präsidenten Raúl Alfonsín ab.

Außer dem heute 82-jährigen Bignone wurden fünf mitangeklagte ehemalige Militärs ebenfalls zu hohen Haftstrafen zwischen 17 und 25 Jahren verurteilt. Darunter auch Santiago Omar Riveros, 83, der bereits im August 2009 wegen Verbrechen während der Militärdiktatur zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Riveros war als Kommandant der Militärinstitute ebenfalls für die Kaserne Campo de Mayo zuständig und erhielt wie Bignone eine Haftstrafe von 25 Jahren. Ein Polizeioffizier wurde freigesprochen.

Die Richter ordneten zudem an, dass die Verurteilten ihre Strafe in einem normalen Gefängnis verbüßen müssen. Damit ging das Gericht auf eine Forderung von Menschenrechtsgruppen ein, die eine Strafverbüßung im normalen Vollzug verlangen. Bignone und zwei der Mitverurteilten standen bisher lediglich unter Hausarrest. Jetzt werden sie in den normalen Strafvollzug überführt.

„Heute ist ein guter Tag für alle Argentinier. Wir sind glücklich über die Verbüßung der Strafe in einer normalen Haftanstalt“, kommentierte die Präsidentin der Menschenrechtsorganisation „Großmütter der Plaza de Mayo“, Estela de Carlotto, die Urteile. „Wir sind sehr zufrieden, aber noch ist viel zu tun. Es gibt Hunderte von Angeklagten.“ Über 400 Angeklagte befinden sich gegenwärtig in Untersuchungshaft. 85 Angeklagte wurden mittlerweile zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt, 8 wurden freigesprochen.

Während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 verschwanden rund 30.000 Menschen spurlos oder wurden nachweislich ermordet. Im August 2003 hatte der argentinische Kongress zwei Amnestiegesetze aufgehoben, die den Militärs weitgehende Straffreiheit gewährt hatten. Mit Bignone ist erstmals ein früherer Chef der Junta nach der Aufhebung der Amnestie verurteilt worden. Der erste Juntachef, Jorge Rafael Videla, muss sich demnächst wegen 30-fachen Mordes und Entführung in 552 Fällen vor Gericht verantworten.