Zwischen Berlin und Brüssel raucht’s

Tabakwerbeverbot nicht umgesetzt: EU-Kommission will Deutschland verklagen. Bundesregierung wehrt sich

BERLIN taz ■ Der Konflikt zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission zum Tabakwerbeverbot spitzt sich zu. Der EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou will Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen, weil die Bundesrepublik das europäische Werbe- und Sponsorenverbot für Tabak nicht bis zum 1. April 2006 in nationales Recht umgesetzt hat.

Die Bundesregierung argumentiert, dass sie das Verbot noch nicht umsetzen müsse, weil sie selbst gerade dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klage. Deshalb müsse man die EU-Richtlinie noch nicht umsetzen. Sollte der Europäische Gerichtshof dem EU-Kommissar folgen und Deutschland verurteilen, droht der Bundesrepublik ein saftiges Bußgeld.

Bereits im September 2003 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung rechtliche Schritte gegen die Tabakwerberichtlinie eingeleitet, welche seit 2005 offiziell in der EU gilt. Die große Koalition unterstützt die Klage der Vorgängerregierung. „Wir wollen nicht, dass die EU uns vorschreibt, welche Werbung in Deutschland gedruckt wird und welche nicht“, sagte eine Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums.

Die Argumentation der Regierung ist unter Juristen umstritten. „Das ist eine schwierige Frage“, sagt Helmut Siekmann, Staatsrechtsprofessor an der Ruhr-Universität Bochum. „Aber die Mehrheit meiner Kollegen ist sich einig, dass eine EU-Richtlinie so lange wirksam ist, bis sie vom EuGH aufgehoben wird.“ Die Bundesregierung stütze sich in ihrer Argumentation also auf eine Minderheitenposition.

Neben der Tatsache, dass die deutsche Regierung die europäische Tabakrichtlinie noch nicht umgesetzt habe, warf EU-Kommissar Kyprianou der Bundesrepublik noch etwas anderes vor: Sie lasse sich zu viel Zeit, um rauchfreie Zonen zu schaffen. Tatsächlich sind andere europäische Länder wie Italien und Irland an diesem Punkt wesentlich weiter. Dort gilt in Gaststätten ein striktes Rauchverbot.

In Deutschland gibt es lediglich eine freiwillige Übereinkunft von mehreren tausend Mitgliedern des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes: Sie wollten bis zum 1. März 2006 erreichen, dass 30 Prozent der Lokale rauchfreie Zonen einrichten. Diese Vorgabe habe der Verband sogar übertroffen, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Genau 31,5 Prozent der Mitglieder hätten entsprechende Bereiche in ihren Restaurants und Bars zur Verfügung gestellt. Allerdings sind bei der Rechnung nicht die vielen Eckkneipen, sondern nur Gaststätten einbezogen, die mehr als 50 Sitzplätze haben. Von einem generellen Rauchverbot in den Gaststätten ist aber bei der Bundesregierung nicht die Rede.

Das ist den Grünen zu wenig. Der Gesundheitspolitiker Harald Terpe sieht akuten Handlungsbedarf: „Ich befürworte ein generelles Rauchverbot in Gaststätten.“ So könne man die Gefahren für Passivraucher mindern. Derzeit sterben in Deutschland 3.600 Menschen jährlich, weil sie den Zigarettenqualm ihres Nachbarn einatmen.

MAURITIUS MUCH