DIE DEUTSCHEN GEHEN SORGLOS MIT IHREN BIOMETRISCHEN DATEN UM – ZU SORGLOS
: Wir bequemes Nutzervieh

MEIKE LAAFF

Das Ausfüllen des Wahlzettels, endlich ist es ist vorbei, eine Erleichterung. Bis zur ersten Hochrechnung, die bestätigt, was die Zynikerin in mir natürlich schon längst gewusst hat: Nichts, aber auch gar nichts hat für den Ausgang der Wahlen eine so geringe Rolle gespielt wie die NSA-Enthüllungen.

Sicherheit haben die Deutschen mal wieder gewählt – und während eine Elefantenrunde das noch mal in Worte kleidete, machte der Chaos Computer Club mit genau diesem Thema internationale Schlagzeilen: Die Fingerabdruck-Identifikation des brandneu vorgestellten iPhone sei mitnichten so bombensicher wie von Apple behauptet – Hackern des CCC sei es gelungen, sie auszutricksen. Klare Botschaft: Biometriedaten taugen nicht, um Zugriff auf alltägliche Geräte zu sichern.

Das sind schlechte Nachrichten für große Internetfirmen – denn die machen sich schon seit einiger Zeit warm, ihre Nutzerherden an den Gedanken zu gewöhnen, dass nichts ihre digitalen Schätze so gut absichert wie biometrische Identifikationsverfahren. Schluss damit, Onlinekonten mit einfältigen Passwörten wie dem Namen ihrer Ehefrau zu schützen – viel schwerer zu knacken ist es doch, wenn die biometrischen Gesichtsabmessungen, die Iris oder eben der Fingerabdruck einen User identifizieren. Tschüss, Phishing-Attacken. Programmen zum Passwortknacken wäre der Schrecken genommen – ebenso wie diesen Angriffen, bei denen miteinander verknüpfte Mail- und Socialmedia-Profile binnen Stunden gekapert werden.

Das System Passwort sei einfach am Ende, pfeifen die Manager ihrer Sicherheitsabteilungen immer wieder von den Bühnen aller Tech-Konferenzen, während ihre Untergebenen an Alternativen herumbasteln – Google etwa an Technologie, mit der man sich dank Grimassenschneiden einloggen können soll, Motorola an magensäurebetriebenen Authentifizierungspillen, die Signale aus dem Magen an den Rechner schicken sollen. Warum nicht gleich einfach den Bildschirm anlecken zur digitalen Speichelprobe?

Wer den großen Tech-Firmen im Hype um bequeme neue Anmeldeverfahren wie im Science-Fiction-Film folgt, den stört halt einfach nicht, dass man sich bei jedem noch so banalen Onlinedienst bitte schön eindeutig identifizierbar biometrisch ausweisen muss wie bei der Polizeikontrolle. Egal ob syrischer Facebook-Nutzer oder User von Online-Sexdiensten – wer braucht schon Anonymität im Netz, wenn er mehr Sicherheit haben kann? Pardon: Das Versprechen von mehr Sicherheit meine ich natürlich. Das der CCC im Fall von Apple gerade als Mumpitz enttarnt hat.

Montag Josef Winkler Wortklauberei

Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Freitag David Denk Fernsehen

Montag Anja Maier Zumutung

Aber weil wir bequemes Nutzervieh sind, wird auch das viele von uns längerfristig nicht abschrecken. Wir werden vergessen oder verdrängen, was für ein Quatsch es im Grunde ist, einen unserer wertvollsten, weil unveränderlichen Datensätze unseren digitalen Fingerabdruck, herzugeben, um Songs für 99 Cent zu kaufen. Die Macht der Bequemlichkeit halt. Und die Sehnsucht danach, was man in Unionsparteien vom Wähler ungestraft das „Supergrundrecht Sicherheit“ nennen darf.