Union steuert spitz Richtung Koalition

VERHANDLUNG Die Union bereitet ihre Anhänger auf eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor. Zwar wird sie so ein zentrales Wahlkampfversprechen brechen. Aber sonst wird es schwierig mit der Partnersuche

BERLIN taz | Es war eines der zentralen Wahlversprechen, mit dem CDU und CSU um die Gunst der Wirtschaftsvertreter und gut Situierten warben: Keine Steuererhöhungen. Doch während die 114 neuen Unions-Abgeordneten noch die Umzugskisten auspacken, bereiten Koalitionsstrategen ihre Anhänger schon auf die neue Realität vor: Für einige „Leistungsträger“ dürften die Steuern sehr wohl steigen, egal mit welchem Koalitionspartner man einig wird.

Sowohl Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wie auch der CDU-Vize Armin Laschet lassen Verhandlungsspielraum in der Steuerfrage durchschimmern – ergänzt um den Hinweis, persönlich seien sie selbstverständlich nach wie vor dagegen. Aber, so Laschet: „Natürlich werden wir in allen Themen kompromissbereit sein müssen. Sonst kriegen wir keine Koalition hin.“ Die Bild-Zeitung meldet im Empörungston, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe habe Vertreter des Wirtschaftsflügels seiner Partei schon telefonisch auf höhere Spitzensteuern vorbereitet.

Eine Sensation wäre dies nicht. Schließlich hatten SPD und Grüne im Wahlkampf versprochen, den Spitzensteuersatz anzuheben. Ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro soll er laut SPD von 42 auf 49 Prozent steigen. Die Grünen sehen diesen Höchststeuersatz schon ab 80.000 Euro vor. Und: Beide Parteien warben zudem mit der Vermögensteuer bzw. -abgabe. Ein Deal in Koalitionsverhandlungen könnte daher lauten: CDU und CSU schützen die Vermögen ihrer Klientel, zum Preis eines höheren Spitzensteuersatzes. Am Donnerstag ging es für die Union aber erst mal darum, das Gesicht zu wahren. Die Berichterstattung sei „falsch“, polterte der CDU-Generalsekretär. „Es gilt uneingeschränkt unser Wahlprogramm: Steuererhöhungen lehnen wir ab.“ Dafür wolle die Union kämpfen. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, versicherte: Angesichts des Rekordsteueraufkommens gebe es „keine Notwendigkeit“ für Steuererhöhungen. „Mit dieser Position werden wir in alle anstehenden Verhandlungen gehen.“ Was nicht heißt, dass die Union mit dieser Forderung auch aus den Verhandlungen zurückkehrt. Längst nicht alle in der Union fänden dies dramatisch. Der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Norbert Barthle (CDU), sagte im Gespräch mit der Rheinischen Post, er könne sich „eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes am oberen Ende zur Gegenfinanzierung von Entlastungen am unteren Ende vorstellen“. Verknüpft mit Entlastungen für den Mittelstand werde man „unterm Strich“ ohne Steuererhöhungen auskommen.

„Die CDU-Spitze merkt, dass ihr die Decke zu kurz geraten ist“, sagte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir der taz. Es sei wenig glaubwürdig, dass ihr diese Erkenntnis erst urplötzlich nach der Wahl komme. „Klar wird damit, dass die CDU keinen durchfinanzierten Plan hat, wie die anstehenden Zukunftsaufgaben zu bewältigen sind.“ Interessant ist, dass Özdemir die gängige Formulierung, Schwarz-Grün sei undenkbar, wegließ.

ASTRID GEISLER