EU fürchtet britische Offensive

EUROPA Die Klage der Briten gegen die EU-Regeln zur Begrenzung der Banker-Boni stößt auf heftige Kritik in Brüssel. Britische EU-Kritiker wollen das Referendum über den Verbleib in der Union früher abhalten

„Ein durchsichtiges innenpolitisches Manöver ohne Substanz“

Othmar Karas, konservativer Vizepräsident des EU-Parlaments

BRÜSSEL taz | Zwischen Großbritannien und der EU droht eine neue Eiszeit. Das Europaparlament und viele EU-Diplomaten haben am Freitag empört auf die Klage der britischen Regierung gegen die beschlossene europaweite Begrenzung der oft millionenschweren Banker-Boni reagiert. Zudem geht in Brüssel die Angst um, dass dies erst der Anfang einer breiter angelegten britischen Offensive gegen die EU sein könnte.

Die Regierung in London hatte am 20. September Klage gegen die neuen EU-Regeln zur Begrenzung von Boni und Prämien für Bankmanager eingereicht. Der Europäische Gerichtshof hat den Eingang am Donnerstag bestätigt. Das Verfahren dürfte ein bis zwei Jahre dauern. Allerdings hat es keine aufschiebende Wirkung. Der neue „Deckel“ für Boni tritt also wie geplant am 1. Januar 2014 in Kraft.

Dennoch stößt die Klage auf Kritik. Sie sei „ein durchsichtiges innenpolitisches Manöver ohne Substanz“, kritisierte Othmar Karas, konservativer Vizepräsident des EU-Parlaments. Der SPD-Abgeordnete Udo Bullmann, der den Kompromiss ausgehandelt hatte, sprach von einer „Verzweiflungstat“. Der britische Finanzminister George Osborne sei „ein schlechter Verlierer“.

Wohl wahr. Denn die Briten hatten sich bis zuletzt mit Händen und Füssen gegen die neuen Regeln gewehrt, die vor allem die City of London, Europas größten Finanzplatz, treffen. Mit Verhandlungstricks zögerten sie einen Beschluss immer wieder hinaus. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kam ihnen dabei weit entgegen – offiziell, um einen „breiten Konsens“ zu finden. Doch die Rücksichtnahme hat sich nicht gelohnt.

Denn die Klage ist offenbar Teil einer breiter angelegten Offensive zugunsten der Londoner Finanzlobby. So behindert die britische Regierung unter Premier David Cameron bereits seit Jahren den Versuch, eine europaweite Finanztransaktionssteuer einzuführen. Gestern wurde zudem bekannt, dass sie auch die geplante neue Bankenaufsicht für die Eurozone verzögert. Auf britischen Wunsch wurde eine Vorlage gestoppt – angeblich, damit sich das Londoner Parlament damit befassen kann.

Doch diese Begründung sei „grotesk“, so der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold. Das Abkommen sei „seit Wochen praktisch ausverhandelt und gibt britischen Europaabgeordneten Rechte gegenüber der Bankenaufsicht, bei der sie nicht mal mitmachen“.

Die zunehmenden Störmanöver aus London erklären EU-Experten aus Brüssel aber nicht nur mit dem Druck der Bankenlobby. Ein Diplomat verwies auch auf die innenpolitischen Schwierigkeiten, in die Cameron wegen der EU-Gegner in seinem Land gekommen sei. Mitglieder seiner Partei fordern, das für 2017 geplante EU-Referendum früher abzuhalten – etwa kurz vor der Europawahl 2014. ERIC BONSE