Ein instabiles Land wird weiter destabilisiert

Wie die Rebellion im Tschad mit dem Krieg im benachbarten sudanesischen Darfur zusammenhängt

Frankreich und Tschad werfen dem Sudan vor, hinter denRebellenangriffen zu stecken

BERLIN taz ■ Tschad ist eines der ärmsten Länder der Welt und seine fünf Millionen Einwohner leben auf der dreifachen Fläche Deutschlands in einem Staatsgebiet praktisch ohne Infrastruktur, trotz des 2003 begonnenen Ölexports. Seit 2004 hat der Tschad 210.000 Flüchtlinge aus dem Sudan und 50.000 aus der Zentralafrikanischen Republik aufgenommen. Dies destabilisiert ein ohnehin instabiles Land, dessen seit 1990 autokratisch regierender Präsident Idriss Déby mittlerweile auch seine engsten Freunde verprellt hat und immer mehr bewaffnete Gegner heranzüchtet.

Die für die jüngsten Rebellenoffensiven verantwortliche Koalition FUC (Vereinigte Kräfte für den Wandel) entstand Ende 2005 und sollte diese bewaffneten Gruppen einen. Manche davon werden von Sudans Regierung unterstützt, andere von Rebellen in der westsudanesischen Region Darfur.

Die Konflikte in Tschad und Darfur sind eng miteinander verwoben. Präsident Déby entstammt der Volksgruppe der Zaghawa, die in Darfur zusammen mit anderen schwarzafrikanischen Volksgruppen Opfer ethnischer Säuberungen geworden ist. Sudans Regierung verdächtigt Déby daher der Unterstützung der Darfur-Rebellen. Zaghawa-Militärs in Tschad und Zaghawa-Rebellen in Darfur aber werfen Déby vor, nicht genug für sie zu tun. So haben beide ein Interesse, ihn zu bekämpfen – aber eben aus gegensätzlichen Motiven.

FUC-Führer Mahamat Nour gehört zum prosudanesischen Flügel der Rebellen. Daher werfen die Regierungen Tschads und Frankreichs jetzt Sudan vor, hinter dem spektakulären Vormarsch der FUC in den letzten Tagen zu stecken. Auch Darfurs Rebellen schlossen sich diesem Vorwurf an. Sie verweisen darauf, dass die FUC ihr Hauptquartier in der Stadt El-Geneina in Darfur hat und dass die für zahlreiche Verbrechen verantwortlichen regierungstreuen Janjaweed-Milizen in Darfur auch in Tschads Rebellengebiet Darfur-Flüchtlinge jagen.

Auch im Tschad selbst ist Mahamat Nour nicht unangefochten. Teile der FUC haben sich inzwischen wieder abgespalten, vor allem solche mit Zaghawa-Kämpfern. Sie werfen Nour vor, in Sudans Hauptstadt Khartum mit Ölgeschäften reich geworden zu sein und den „Völkermord“ der Janjaweed-Milizen in Darfur mit zu unterstützen. Nours eigentliche bewaffnete Fraktion nennt sich RDL (Sammlung für Demokratie und Freiheit) und rekrutiert sich aus dem südtschadischen Volk der Tama, das mit den Zaghawa historisch schlecht auskommt. DOMINIC JOHNSON