Nur Lobbys überleben

Schweizer Autoren, Verlage, Buchhandlungen und Bibliotheken gehen Seite an Seite

Die Schweizer Presse erhält 80 Mio. Schweizer Franken zur Wahrung ihrer Vielfalt und zur Abgeltung ihrer „Dienste am demokratischen Gemeinwesen“. Privatrundfunk und Privatfernsehen werden künftig mit 44 Mio. aus den Gebühren der öffentlichen Anstalten alimentiert. Der Schweizer Film wird durch ein verzweigtes System von Förderungen mit 64 Mio. jährlich zum Blühen gebracht.

Als aber vor drei Jahren das Projekt des neuen Kulturförderungsgesetzes in Bern präsentiert wurde, waren Verlagswesen, Buchhandel, Lesungen als kulturelle Veranstaltungen, alles was rund ums Medium Buch an kultureller Aktivität geschieht, ums Überleben kämpft und Unterstützung braucht, schlicht vergessen worden. Die notorischen Einzelgänger des Buchsektors hatten verschlafen, was die anderen Kultursparten längst erfasst hatten: den Zusammenschluss.

Autoren, Verleger, Bibliotheken und Buchhändler stellten nun ihre so lautstark in der Öffentlichkeit ausgetragenen Differenzen über Prozente, Rabatte und Preisbindungsmodelle hintan und fanden sich als ganz normale Lobby eines unangreifbaren Zwecks zusammen. So wurde die Buchlobby Schweiz gegründet: eine gemeinsame, klassen- und sektorübergreifende Pressure Group des Verbands der Autoren und Autorinnen der Schweiz, der Bibliotheksverbände, des Buchhändler- und Verlegerverbands, der Mediengewerkschaft Comedia, unter Einschluss der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.

Als Erstes weckte die Buchlobby den Welttag des Buches aus dem Dornröschenschlaf. Lese- und Literaturkampagnen werden angestoßen, Kontakte zu Parlamentariern und zu Kulturämtern aller Ebenen geknüpft. Autoren und Verleger erarbeiteten gemeinsam Modelle der Verlagsförderung, die nun für die nächsten Jahre ins Zentrum der politischen Aktivitäten rücken. Denn die Autorenverbände hatten das Verlagssterben (in der französischen Schweiz bald irreversibel fortgeschritten) als eine der größten Gefahren für ihre Mitglieder erkannt. Schon längst geht es in der Schweiz nicht mehr bloß um die unabhängigen, literarischen oder kleinen Verlage, sondern um die Existenz einer vitalen Verlagsszene überhaupt.

Nach Jahren einsamer Kassandrarufe machte die neue Buchlobby (www.buchlobby.ch) eine überraschende Erfahrung: Man hört ihr von links bis rechts zu. Die Debatten über die sinkende Lesefähigkeit, den sich ausbreitenden Illettrismus, die nationale Sorge ums Pisa-Ranking öffnet Türen und hoffentlich bald auch Köpfe. Die Schweiz, bezüglich Kaufkraft der Bevölkerung an der Weltspitze, ist bei der Buch-, Literatur- und Leseförderung krass unterentwickelt. Ein Vorstoß für die Bibliothekstantieme wurde kürzlich wieder ad acta gelegt. Eine Stiftung Lesen gibt es nicht. Die Fortsetzung eines Pilotprojekts der Pro Helvetia zur Verlagsförderung ist noch ungesichert, eine nationale oder landesweit koordinierte Politik zugunsten des Buches und des Lesens steht noch fern am Horizont. LUCIEN LEITESS