„Bestechung ist Kopfsache“

KORRUPTION Transparency International lädt zur Diskussion über Bestechlichkeit in Hamburg

■ 71, leitet die Regionalgruppe Hamburg/Schleswig-Holstein von Transparency International.  Foto: Transparency

taz: Herr Leilich, der Fall Wulff, die Amigoaffäre – ist in Deutschland die Korruption auf dem Vormarsch?

Gerd Leilich: Wulff ist ein typischer Fall von geschärften Sinnen der Opfer und der Behörden gegenüber Korruption. Bestechungen werden im Vergleich zu den Neunzigern verstärkt strafrechtlich verfolgt, daher die stärkere Berichterstattung.

Deutschland landete auf dem Korruptionsindex 2012 nur auf Platz zwölf. Warum?

Diese Liste beruht auf der Wahrnehmung der Bestechlichkeit von Amtsträgern und Politikern eines Landes. Geschäftsleute und Länderanalysten sahen gerade im deutschen Gesundheitssystem korrupte Praktiken, zum Beispiel durch den Einfluss von Pharmafirmen auf die Medikamentenbereitstellungen in den Krankenhäusern.

Was machen andere Länder besser?

In den Ländern, wo es besser läuft, herrscht ein anderes Bewusstsein über Vorteilsnahme und Amtsmissbrauch. Es gibt in Deutschland immer noch Unternehmer, die nicht entschlossen genug in ihrer eigenen Firma gegen Korruption vorgehen und damit Gesetze missachten.

Was kann eine neue Bundesregierung tun?

Eine neue Regierung muss sich für eine internationale Harmonisierung der Gesetze gegen Abgeordnetenbestechung einsetzen. Korruption muss zudem im In- und Ausland noch stärker verfolgt werden können.

Sind Hanseaten bestechlich?

Nein, die Mehrheit sind ehrbare Kaufleute. Dennoch entgehen der Stadt Hamburg pro Jahr 50 Millionen Euro alleine durch Geldwäsche. Da darf man nicht zur Tagesordnung übergehen.

Was steht bei Ihrem Regionaltreffen auf der Tagesordnung?

Wir wollen diskutieren, wie wir die Hamburgische Wirtschaft verstärkt auf Korruptionsprävention ansprechen können. Eingeladen haben wir Joachim Schwanke, den Leiter des Dezernats Interne Ermittlungen der Polizei. Er wird berichten, in welchen Wirtschaftsbereichen Vorteilsnahme besonders stark ausgeprägt ist.

Wurden Sie bereits bestochen?

Jeder, der einen verantwortungsvollen Job ausübt, wird diese Praxis spüren. Bestechungen vollziehen sich immer im Kopf, entweder ich ändere dadurch meine Entscheidung oder ich lasse es. Eine Einladung zum Mittagessen muss nicht unter allen Umständen ausgeschlagen werden.

INTERVIEW: FLORIAN MUARRAWI

19 Uhr, öffentliches Treffen der Regionalgruppe Hamburg/Schleswig-Holstein, Burchardstraße 19