Friedliches Frühlingserwachen

1.000 Menschen demonstrieren beim Ostermarsch für den Frieden. Sie teilen die Furcht, dass die USA einen Krieg gegen den Iran beginnen. Ihr Protest wirkt nicht ausgelaugt, sondern wach und lebendig

von WALTRAUD SCHWAB

„Wir wollen keine Happy Hour, wir wollen eine Happy Future“, sagt ein Ostermarschierer, als er am Potsdamer Platz an einem Lokal vorbeiläuft, das seine glückliche Stunde zwischen 19 und 20 Uhr anpreist. Außer ihm waren noch knapp tausend Menschen auf der Straße, weil sie um die glückliche Zukunft fürchten.

Viele sind das nicht, die ihrer Sorge an diesem Ostermontag Ausdruck verleihen und auf ihrem Marsch vom Brandenburger Tor zum Anhalter Bahnhof öffentlich zeigen, dass sie um den Frieden, den Weltfrieden, fürchten. Trotzdem: Die Stimmung unter den wenigen ist gut. Wirkte mancher Ostermarsch in der Vergangenheit ausgelaugt, sind die Leute jetzt wach und lebendig. Die Regenbogenfahnen sind wieder da. Nun nicht mehr nur mit dem italienischen „Pace“, sondern auch auf Deutsch, auf Englisch. Frieden, Peace.

„Kein Krieg gegen den Iran“, steht auf den Transparenten von Exiliranern. „Bring the boys home“, fordert die Hand voll junger Leute von Attac. Die Mütter gegen den Krieg sind plötzlich zurück und auch ein Chor, der mehrstimmig „Die Gedanken sind frei“ intoniert. Ein Mann wiederum, der nicht aussieht, als hätte er was zu verschenken, drückt den Mitdemonstrierenden kleine Ostereier in die Hand. „Ich geb was, weil ich was bekommen habe.“ Dazu tönt Wolf Biermann unbarmherzig mit „Soldaten sind sich alle gleich – lebendig und als Leich“ über den Ver.di-Lautsprecher, der den Zug anführt.

Es sind die einfachen Leute, die sich zum Ostermarsch aufgemacht haben. Viele Ältere, wie jener 1943 Geborene, der an den Straßenecken stehen bleibt und mit lauter Stimme deklamiert: „Wir wollen keinen Krieg, sondern Frieden. Auch sozialen Frieden.“ Ein 22-jähriger Azubi, der die schwere Fahne von Attac trägt, sagt, wie schade er es findet, dass er seine Kumpels nicht fürs Demonstrieren begeistern kann. Noch nicht.

Selbst die Spaßfraktion ist zurück. Vier Clowns der „Clownsarmee Berlin“ fordern: „Keine (Atom-)Macht für niemand“. Und ein ausrangiertes Militärfahrzeug des Aktionsbüros „Himmlische Vier“, ist mit Mantras dekoriert, die das Geschäft der Soldaten entlarven: „Du sollst Deutschlands Kanonenfutter sein!“, „Du sollst Deutschlands Militärstiefel in aller Welt sein!“, „Du sollst Deutschland Soldat gegen den inneren Feind sein“.

Das Zusammenspiel zwischen Innen- und Außenpolitik, der die DemonstrantInnen bewegt, wird auch von den RednerInnen auf der Abschlusskundgebung thematisiert. Der Politologieprofessor Rolf-Dieter Narr warnt davor, dass mit der Aufrüstung im Rahmen der äußeren Sicherheit fast zwangsläufig auch Bürger- und Menschenrechte durchlöchert werden. Gewerkschaftsvertreter betonen den Zusammenhang von Weltfrieden und sozialem Frieden.

„Die Friedensbewegung ist keine Partei, sondern eine Bewegung“, sagt Christian Ströbele von den Grünen. „Wenn sich Leute darüber mokieren, dass es so wenige sind, die zum Ostermarsch kommen, dann haben sie nicht nachgedacht.“ Er ist überzeugt, dass die USA militärisch gegen den Iran vorgehen will. „Es dringt langsam ins Bewusstsein, was sich da anbahnt.“

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