Fehler ja, Rücktritt nein

STEUERDEAL In der Affäre um die Kieler SPD-Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke schlagen die Wellen weiter hoch: Sie nennt ihre Eilentscheidung, einem Arzt Zinsen zu erlassen, einen Fehler

KIEL dpa | An der Kieler Förde schlagen die politischen Wellen besonders im SPD-Lager seit Tagen hoch. Mindestens so wie die Frage nach einer Großen Koalition im Bund erhitzen Verhalten und Vorwürfe der Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke die Gemüter. Nach mehreren Tagen Krisenmanagement von der Nordseeinsel Föhr aus stellte sich die Sozialdemokratin am Montag der Presse in Kiel, aber zur Deeskalation im höchst angespannten Verhältnis zu den SPD-Granden um Ministerpräsident Torsten Albig und Landesparteichef Ralf Stegner taugte ihr halbstündiger Auftritt nicht. Es ist selbst für das krisen- und affärengeplagte Land starker Tobak, was sich da in Kiel abspielt. Der Auslöser: Gaschke, noch bis vor einem Jahr Redakteurin der Zeit, erlässt einem Augenarzt Zinsen und Säumniszuschläge in Höhe von 3,7 Millionen Euro – per Eilentscheidung in einem seit 15 Jahren laufenden Verfahren und ohne die Ratsversammlung einzubeziehen. Der Mediziner zahlt dafür in Raten Gewerbesteuern über 4,1 Millionen Euro ab. Sie waren für alte Immobiliengeschäfte angefallen. Die Kommunalaufsicht im Innenministerium stuft Gaschkes Eilentscheidung als rechtswidrig ein; sie rechnet nun mit einem Disziplinarverfahren. Nicht schön, aber dann komme immerhin alles auf den Tisch.

Dazu gehöre auch die Frage, weshalb die Verwaltung seit 2011 einen Vergleich mit dem Steuerschuldner anstreben sollte. OB war damals Albig. Der konterte am Nachmittag, es sei unerheblich für einen OB, wie andere Menschen vorher entscheiden haben. Andernfalls sollte man „Gehilfin“ werden und nicht OB.

Zwar nennt Gaschke ihre Eilentscheidung inzwischen einen Fehler, für den sie um Verzeihung bitte. Aber den Vorwurf an Albig, er habe in einer SMS an sie zehn Tage vor der Entscheidung des Innenministeriums diese vorweggenommen, hält sie aufrecht.

Die FDP-Fraktion nannte Gaschke im Amt überfordert und forderte sie zum Rücktritt auf. Im Rathaus will Gaschke nach den Attacken nun auf CDU und FDP zugehen. „Die Opposition hat vollkommen recht gehabt mit ihren Fragen, sie hat eigentlich großartig funktioniert.“ Für Albig und Stegner hatte Gaschke indes kein Lob parat.