Auf Achse statt im Hörsaal


VON MAREN MEIßNER

Zeit hat Fabian Kippenberg eigentlich nie. Zwei Jobs und ein Studium – „da leiden die Freunde schon manchmal“, sagt er. Der 25-Jährige wird im Sommer seinen Bachelor-Abschluss in Sozialwissenschaften an der Uni Düsseldorf machen und entgeht damit knapp den Studiengebühren, die das Landesparlament im März beschloss. Danach dürfen Universitäten selbst entscheiden, ob sie von ihren Studierenden Gebühren verlangen. Der Senat der Stadt Düsseldorf sprach sich kürzlich für die Einführung des Höchstsatzes zum Sommersemester 2007 aus. „Für mich ist das ein Grund, nicht weiterzustudieren und mir lieber einen Job zu suchen“, sagt Kippenberg und zuckt mit den Schultern.

Dabei würde er sich gerne durch einen Master weiter qualifizieren. Nach einer Ausbildung zum Rechtsanwaltsfachangestellten holte er von 2001 bis 2003 sein Abitur an einem Berufskolleg nach und begann im Wintersemester 2003 in Düsseldorf mit dem Studium. „Ich musste ab dem ersten Semester mindestens zwei Tage pro Woche arbeiten“, erzählt der Student, der mit seinen zwei Jobs seinen Lebensunterhalt bestreitet.

Das „entspannte Studentenleben“, das ohnehin nur ein Bruchteil der Studierenden führt, kennt Fabian Kippenberg nicht. Seine typische Arbeitswoche beginnt mit einem Anruf um sieben Uhr morgens. „Die fragen mich dann, ob ich um halb acht da sein kann.“ Mit „die“ ist die Feuerwehr Mettmann gemeint, bei der der Student seit sieben Jahren tätig ist. Zunächst fing er ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr an. Vor zwei Jahren folgte die Ausbildung zum Rettungssanitäter, die dazu befähigt, Rettungswagen zu fahren.

Psychische Belastung

Und genau das tut Fabian Kippenberg etwa fünf Mal im Monat. Zusätzlich ist er ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr fast ständig in Bereitschaft, kann jederzeit zu Einsätzen gerufen werden. Beides belastet nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Wohnungsbrände, Verkehrsunfälle auf der nahen A3, Herzinfarktpatienten – der Student weiß nie, was ihn erwartet.

Eine Schicht im Rettungsdienst dauert 24 Stunden, egal, ob am nächsten Tag Vorlesungen und Seminare anstehen oder sein anderer Job auf ihn wartet. „Das ist schon manchmal hart“, sagt er, „aber was soll‘s. Dann hat man eben mal nicht geschlafen.“

Eigentlich sollte er nach so einem 24-Stunden-Dienst mindestens einen Tag frei haben. Doch das lässt sich nur in den seltensten Fällen machen. Zwölf Stunden pro Woche arbeitet Fabian Kippenberg in einer Duisburger Firma, wo er Intranetseiten für die interne Kommunikation des Betriebs erstellt. Als Werksstudent ist er dort in mehrere Projekte eingebunden. „Dieser Job bringt mir auf jeden Fall viel für später“, ist er sich sicher. Zwei bis drei Tage pro Woche verbringt er an der Uni, mehr kann er sich nicht leisten. In seinem Abschlusssemester muss er nur noch wenige Kurse belegen und bereitet nun seine Bachelorarbeit vor, die er in den kommenden Monaten schreiben wird.

Wie viel Geld er monatlich zur Verfügung hat, hängt davon ab, wie oft die Feuerwehr ihn morgens aus dem Bett holt. 500 Euro verdient er dort durchschnittlich. „Aber was immer so im Raum schwebt, ist, dass ich eben auch mal ein paar Wochen lang nicht angerufen werden könnte“, sagt er. Und dann blieben ihm nur die 515 Euro, die er in seinem anderen Job verdient – zu wenig, um Miete und alle Festkosten zu bezahlen. Bafög bekommt er nicht. Seit er vor Wochen mit seiner Freundin zusammen gezogen ist, fällt auch Kost und Logis beim Vater weg. Und die Kosten steigen. „Kämen auch noch Studiengebühren hinzu, müsste ich mindestens drei Tage die Woche arbeiten“, rechnet er, „wann soll ich denn da noch studieren?“

Durch 1.000 Euro Studiengebühren im Jahr ergibt sich für den Studenten eine Mehrbelastung von 83 Euro pro Monat. „Das kann ich nicht finanzieren“, ist Kippenbergs einfaches Fazit. Schließlich kostet das Unileben auch ohne Gebühren schon viel Geld: Semesterbeiträge von 150 Euro, Mensaessen, Bücher, Arbeitsutensilien. Die meisten seiner Kommilitonen scheinen sich mit den Gebühren abgefunden zu haben. Nur noch wenige demonstrierten am Tag der Gesetzesverabschiedung vor dem Landtag. Und auch die vorherigen Protestzüge waren nicht mit dem zu vergleichen, was beispielsweise französische Studierende gerade auf die Beine gestellt haben. „Vielleicht hat sich die Mentalität da etwas geändert“, vermutet Kippenberg. Zu lange schwelt schon der Konflikt um die Gebühren, als dass sich noch viele Menschen auf die Straße locken ließen. Auch viele von denjenigen nicht, die durch die Gebühren wirklich hart getroffen werden und auf ihr Studium deswegen verzichten. „Ich denke, es wird auf jeden Fall einen Einbruch der Studierendenzahlen geben“, sagt Kippenberg.

Schulden, nein danke

Ein Kredit der NRW.Bank, der die Gebühren für das Studium abfedern helfen soll, kommt für ihn nicht in Frage: „Entweder kann ich mir ein Hochschulstudium leisten, oder ich lasse es sein und versuche statt dessen, einen vernünftigen Job zu bekommen.“ Mit einem Berg Schulden wolle er nicht ins Arbeitsleben einsteigen. Dass für viele Jobs ein Bachelor-Abschluss nicht ausreichend ist, weiß auch Kippenberg. „Die Anforderungen steigen, immer öfter muss man einen Hochschulabschluss vorweisen“, weiß er. In vielen Bereichen ist der Bachelor-Abschluss noch nicht als berufsqualifizierend anerkannt. Dieses Risiko muss der 25-Jährige in Kauf nehmen. „Dann muss ich wohl darauf verzichten, eine höhere Position zu bekommen“, sagt er nüchtern.