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Musik zum Tragen von Kettenhemden

KONZERT In den besten Momenten wie eine UK-Indie-Version von düsterem Gangsta-Rap: These New Puritans im Bang Bang Club

Das Schlagzeug wird geprügelt, die Gitarre gequält – live zeigt sich: Sie machen echt einen auf S/M-Image

Kein Wort über die Aschewolke. Kein Wort über das tagelange Flugverbot – wahrscheinlich waren sie mit der Galeere gekommen. Egal, These New Puritans aus Southend-on-Sea hatten es nach Berlin geschafft. Pünktlich. Und dann das: Nach einer begabten, aber relativ zukunftslosen Vorband hatte sich das Publikum kaum vergrößert. Man kann sagen, die Band aus England, die vor zwei Jahren noch ein kleiner Hype unter gut informierten Fashionistas war, hat vor handverlesenem Publikum gespielt. Der Bang Bang Club in Mitte war jedenfalls alles andere als voll.

Vielleicht lag es daran, dass These New Puritans zu sperrig und zu elektronisch orientiert sind, um mit anderen Bands, die sich in den Weihwassern des New Wave haben taufen lassen, in Sachen Breitenwirkung messen zu können. Wie den Foals etwa, die kürzlich im fast ausverkauften C-Club in Tempelhof gespielt haben, ohne dass ihr zweites, neues Album schon draußen gewesen wäre. These New Puritans haben ihr Zweitwerk hingegen schon lange auf dem Markt. In Großbritannien schaffte das Album gerade mal Platz 100. Und ging dann wieder unter. „Hidden“ heißt es.

Der kleine Kick, für die Spanne einer Herbstkollektion des Modemachers Hedi Simane bei Dior Homme der Dernier Cri gewesen zu sein, damals, 2007, ist also schon wieder verpufft. Jetzt müssen sich die vier jungen Leute aus Essex, östlich von London, auf das Wesentliche verlassen, auf ihre Musik nämlich. Und aufs Auftreten.

Tatsächlich ist das mit der Musik so eine Sache. Einerseits versuchen sich die beiden Zwillingsbrüder Jack und George Barnett, der Perkussionist Thomas Hein und Sophie Sleigh-Johnson an einer Kreuzung von elektronischen Sounds und dem New-Wave-Funk von Gang of Four. Etwas Post Punk, etwas EBM.

Neuartige Musik entsteht oft dann, wenn Musik aus anderen Kontexten entnommen und ent- oder verfremdet wird. In den besten Momenten gelang es der Band, wie eine UK-Indie-Version von düsterem Gangsta-Rap zu klingen, besonders wenn Jack Barnett sich bemühte, das Singen zugunsten eines ausdrucksstarken Sprechgesangs aufzugeben. In den schlechteren Momenten klangen These New Puritans wie die unerträgliche Neuversion einer Darkwave-Combo ohne Bassgitarre. Mit Musik zum Tragen von Kettenhemden. Die klang wie eine rückwärts abgespielte Aufnahme einer Wagner-Oper.

Dass sie tatsächlich in Richtung Körperkult, schwarzer Dramatik, S/M-Image gehen, wurde erst live ganz klar. George Barnett spielte kein Schlagzeug, er prügelte es. Thomas Hein raunte mit Schauderstimme im Hintergrund und bediente die schweren Ketten, die als eine Art Schellenbaum fungierten, im besten Fall eine Reverenz an die Einstürzenden Neubauten. In der übrigen Zeit trommelte er entschieden mit: zwei Männer bei der Arbeit. Echter Männerarbeit. Perkussion als Plackerei. Die inzwischen dunkelhaarige Sleigh-Johnson zog dazu Düstersounds aus ihrem Laptop. Und Jack Barnett quälte seine Gitarre.

Vielleicht hat die Band ihr Publikum einfach noch nicht gefunden. Leute, die Coil-Platten im Schrank stehen haben, „Shout“ von Tears For Fears als akzeptables Popstück durchgehen lassen und ansonsten wissen, wer oder was Front 242 oder Skinny Puppy war, sie fehlten auf dem Konzert. Das junge, dünne Publikum, das die böse elektronische Schwester der Foals erwartet hat, war begeistert von der Single „Navigate, Navigate“ und schluckte bei dem Rest.

Und die neue Single der Band lässt auch nichts Gutes vermuten – sie heißt „We Want War“.

RENÉ HAMANN

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