Hooligans bleibt die Spucke weg

Gewaltbereite Fußballfans sollen vor der Weltmeisterschaft zum Speicheltest gezwungen werden. Niedersachsen will 800 DNA-Proben sammeln, Hamburg findet den Vorschlag bedenkenswert. Die Hooligan-Grenze zu Polen bleibt aber offen

von Kai Schöneberg

Vor der WM ein Wattestäbchen in den Mund: Vorbestrafte Randalierer dürfen sich darauf einstellen, im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft zu einem DNA-Test gezwungen zu werden. Nach Berlin will nun auch Niedersachsen bereits straffällige Hooligans genetisch registrieren lassen. Er gehe „davon aus, dass der genetische Fingerabdruck bei Hooligans möglich ist“, sagte Innenminister Uwe Schünemann (CDU). In der so genannten „Gewalttäter-Datei Sport“ sind derzeit etwa 800 besonders gewaltbereite Hooligans aus Niedersachsen gespeichert, die nach einem Richterbeschluss zum DNA-Test gebeten werden könnten. Schünemann kündigte an, die Proben würden wahrscheinlich auch durchgeführt. Er verspreche sich davon eine „abschreckende Wirkung“. Wenn bei einer Gewalttat am WM-Spielort Hannover Haare oder anderes genetisch verwertbares Material gefunden wird, will Schünemann mittels DNA leichter den Urheber ausfindig machen. Auch der Mörder des Modezars Rudolph Mooshammer sei nur mittels Gentest gefasst worden, sagte ein Schünemann-Sprecher.

Da wird auch Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) nicht widerstehen können. Noch prüfe er, ob die DNA-Tests vor den Spielen in Hamburg einzusetzen seien. Aber: Das sei ein „interessanter Vorschlag, der bedenkenswert ist“.

Im vergangenen November hatte der Bundestag die gesetzlichen Hürden für den genetischen Fingerabdruck deutlich gesenkt. Nun dürfen nicht nur Schwerverbrecher oder Sexualstraftäter „vorsorglich“ zum genetischen Fingerabdruck gezwungen werden. Die Maßnahme kann auch bei der wiederholten Begehung von Straftaten mit minderer Schwere angeordnet werden. Oder wenn ein Richter weitere Straftaten befürchtet.

Das hält der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar für eine mehr als schwammige Formulierung. „Was heißt das denn?“, fragt Schaars Sprecherin Ira von Wahl. Die Regelung sei eindeutig auf den Einzelfall bezogen, nicht auf den Event Fußball-WM: „Die Weltmeisterschaft allein rechtfertigt nicht die Speicherung von DNA“, sagt von Wahl. Der genetische Fingerabdruck werde zehn Jahre lang beim Bundeskriminalamt gespeichert. Ihr Eindruck: „Die Fußball-WM wird zurzeit weniger unter Sport- als vielmehr unter Sicherheits-Gesichtspunkten diskutiert.“

Auch bei den Fans hat die Nachricht für Unmut gesorgt. „Das ist ein Hammer“, sagt ein User im Forum von Hooligan.de. „Ich musste vorige Woche auf dem Revier erscheinen“, erzählt ein anderer, der „in den letzten Jahren durch ‚Körperverletzung‘ (im Zusammenhang mit Fußball) verurteilt“ wurde. Außerdem sei ihm bereits angekündigt worden, „dass ich mich bei der WM entweder während des Spiels oder zumindest eine Stunde vor und eine Stunde nach dem Spiel auf der Polizeiwache zu melden habe“.

Durch scharfe Auflagen, hartes Eingreifen der Polizei, aber auch durch Kontaktbeamte oder Kameras in den Stadien habe in den vergangenen Jahren „ein Selbstreinigungsprozess“ in der Fußballszene eingesetzt, sagt der Fanbeauftragte von Hannover 96, Sebastian Krämer. Die Gewaltspirale gehe klar nach unten, die Erfassungswut der Behörden nehme dagegen zu. Krämer: „In die ,Gewalttäter-Datei Sport‘ kommt auch ein Familienvater, der auf dem Weg zum Spiel beim Schwarzfahren erwischt wird.“

Ob die neuen DNA-Tests die Gewalt „zu Gast bei Freunden“ (WM-Slogan) verhindern können, scheint höchst fraglich. Die Gen-Daten vieler verurteilter Hooligans sind längst gespeichert. Und: Gewaltbereite Islamisten dürften sich wohl kaum zum Gen-Test bitten lassen. Ein echtes Problem ist auch der Hooligan-Tourismus aus Osteuropa. Vor allem die polnischen Fans sind berüchtigt wie gefürchtet, da sie nicht in Datenbanken registriert sind. Dadurch können sie trotz Passkontrollen unerkannt nach Deutschland einreisen. Ermittler fürchten zudem, dass britische Randalierer zur WM über Polen einreisen, um Kontrollen zu entgehen.