Alle Macht für die ungarischen Rechtspopulisten

WAHLEN Fidesz gewinnt Zweidrittelmehrheit im Parlament. Parteichef Orbán kündigt Reformen an

WIEN taz | Die zweite Runde der Legislativwahlen in Ungarn hat der rechtspopulistischen Fidesz und ihrem Chef Viktor Orbán erwartungsgemäß die Zweidrittelmehrheit im Parlament gebracht. Fidesz-Leute eroberten 263 der 386 Sitze. Die bisher regierende sozialdemokratische MSZP wird mit 59 Mandaten zur größten Oppositionspartei, die rechtsextreme Jobbik ist mit 47 Abgeordneten vertreten. Die neue, grün-alternative LMP zieht mit 16 Mandaten ein.

Noch in der Wahlnacht zelebrierte Orbán vor seinen Anhängern auf dem Budapester Vörösmarty-Platz seinen Sieg. „Ich melde mit Freude, dass der heutige Gipfelsturm gelungen ist.“

Der 47-jähre Expremier befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Seine Verfassungsmehrheit im Parlament erlaubt es ihm, die Republik umzukrempeln. Er kann den nächsten Präsidenten wählen, den Obersten Gerichtshof neu besetzen lassen und die Ombudsleute bestimmen. Sein Versprechen, das Parlament zu verkleinern, wird er wohl bald angehen. Von rund 200 Abgeordneten ist die Rede.

Schwieriger wird es in der Wirtschaftspolitik. Orbán hat versprochen, eine Million Arbeitsplätze zu schaffen. Notwendige Wachstumsimpulse verspricht er sich von Steuersenkungen. Ungarn hat mit 25 Prozent die höchste Umsatzsteuer der EU und eine hohe Lohnsteuerbelastung. Doch EU und Internationaler Währungsfonds, die Ungarn 2008 mit Milliardenkrediten vor dem Absturz retteten, haben ein Prüfrecht über das Budget. Die Maastricht-Kriterien lassen wenig Spielraum zu.

Bei den Sozialdemokraten rollen Köpfe. Parteichefin Ildikó Lendvai tritt zurück. Auf dem kommenden Parteitag werden andere Spitzenleute folgen. Wahrscheinlich wird der Spitzenkandidat Attila Mesterházy die Partei übernehmen, der eine profunde Erneuerung oder eine Spaltung bevorsteht. Mesterházy warnte vor einer „Einparteienherrschaft“. Sein Appell an Orbán, bei wichtigen politischen Fragen die Opposition zu konsultieren, wird wohl auf taube Ohren stoßen. Für den künftigen Premier sind die Sozialisten eine Bande „von Oligarchen, die ihre Macht missbraucht haben“.

Die Herausforderung droht eher von rechts: Noch vor dem Wahltag meldete sich die faschistische Jobbik zu Wort. Sie beansprucht den Vorsitz der Parlamentsausschüsse für Auswärtiges und Nationale Sicherheit.

RALF LEONHARD

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