SCHWERGEWICHTSBOXEN IN DER KRISE
: Nur noch Gedöns und Ringgehampel

Das Schwergewichtsboxen ist ein Scheinriese. Von Ferne sieht es aus, als werde eine ultimative Show und großer Sport geboten. Aber je näher man dem Kern des Schwergewichtsboxens kommt, desto mickriger erscheint es. Es geht diesem aufgeblasenem Eventsport derzeit nicht anders als Jim Knopf in der Augsburger Puppenkiste. Der Riese Turtur sieht furchteinflößend aus, wenn er nur weit genug weg ist. Kommt er näher, schrumpft er auf Normalmaß. Seit mehreren Jahren ist das Schwergewichtsboxen nur mehr ein Versprechen. Da helfen auch kein marktschreierisches Geplärre und das Schlagen von voluminösen Werbetrommeln im Vorfeld. Da nützt es auch nichts, wenn RTL den Kampf zwischen Wladimir Klitschko und Alexander Powetkin (links im Bild) am Samstag zur besten Sendezeit ansetzt, die Zuschauer aber fast zwei Stunden auf den Kampf warten lässt. In der Sprache der Fernsehdramatiker nennt man so etwas einen Cliffhanger.

Doch was nützt all das Warten, wenn dann nichts geboten wird: keine Spannung, kein guter Kampf, rein gar nichts. Klitschko fuchtelte wie immer mit seinen Tentakeln herum, hielt sich den gefühlt einen halben Meter kleineren Russen wie eine lästige Fliege vom Leib und puffte ihn hin und wieder mit seiner Führhand an. Der überaus muskulöse Ukrainer sah dabei aus, als würde das kalifornische Balco-Labor neuerdings Menschenversuche unternehmen. Der Russe hingegen wirkte alles andere als austrainiert mit einem geschätzten Körperfettanteil von 20 Prozent. So kam es, wie es kommen muss. Klitschko – hast du nicht gesehen – gewann haushoch nach Punkten. Zurück bleibt das schale Gefühl, von allen an der Nase herumgeführt worden zu sein: von RTL, das letztlich nur seine teuren Werbeblöcke untergebracht hat, und vom Schwergewichtsboxen, das nicht mehr zu bieten hat als technisch minderwertige Ringeinlagen. Dass dem mediokren Treiben dennoch bis zu 12,3 Millionen Deutsche zuschauen, kann nur daran liegen, dass viele von ihnen Turtur, den Scheinriesen, mögen. MV