Pierwoß’ letzter Paukenschlag

Nach den Beschäftigten soll jetzt das Publikum seinen Sanierungsbeitrag leisten: Die Theaterpreise steigen um 16 Prozent. Für Pierwoß’ letzte Spielzeit ist das immerhin gut ausgegebenes Geld

von Henning Bleyl

Klaus Pierwoß bleibt sich treu. Für seine letzte Spielzeit nach 13 Jahren Bremen kündigt der Theaterintendant 27 Premieren an – passend zu seinem Credo von der „entfesselten Produktivität“, durch die allein sich Theater behaupten könne. Sein Nachfolger Hans-Joachim Frey von der Dresdner Semperoper, an dem Pierwoß in jüngster Zeit in öffentlichen Äußerungen nur wenige gute Haare gelassen hat, kann allein schon wegen der Zahl an Opernproduktionen vor Neid erblassen: Er musste sich „seinen“ Output aus Einsparungsgründen auf vier zusammen streichen lassen.

Pierwoß also verabschiedet sich mit stolzen sieben Musiktheater-Premieren, darunter eine Uraufführung von Sidney Corbett nach Texten von Fernando Pessoa, die die beachtliche Reihe von Auftragskompositionen der Pierwoß-Ära beenden. Die Wiederaufnahmen dazu gerechnet, wird man in Bremen in der kommenden Spielzeit 17 Opern sehen können, mit „Pique Dame“ und Verdis „La Traviata“ eine Art Best of Pierwoß. Hans Baumann inszeniert statt eines Musicals erstmals eine Operette, als schwergewichtiger Abschluss ist Wagners „Tristan und Isolde“ programmiert.

Wer allerdings erwartet hatte, Total-Choreograph Johann Kresnik würde als Finale Furioso mindestens den Space Park in Trümmer legen, muss enttäuscht sein. Der legendäre Begründer des Bremer Tanztheaters, dessen Engagement durch Frey als äußerst unwahrscheinlich gelten darf, will mit „Amerika“ nach Kafkas Auswanderer-Roman zwar einen großen Stoff aufgreifen. Der wird thematisch passend, aber örtlich nicht sehr innovativ im Güterbahnhof aufgeführt – gegenüber der Spielstätte des Jungen Theaters.

Insgesamt gibt es zwölf Schauspielpremieren, auch im Brauhauskeller, „den wir nicht kampflos aufgeben werden“, wie Dramaturgin Sonja Bachmann erklärte. Die kleine Keller-Spielstätte ist ebenso wie das „Concordia“ ins Visier der Einsparer geraten.

Die vier SpielerInnen des Kindertheaters Moks planen wegen der großen Nachfrage nach ihren Kinder- und Jugendstücken eine zusätzliche Premiere, auch Tanzchef Urs Dietrich legt eine drauf. Zum ersten Mal wird er dabei die große Bühne am Goetheplatz entern und mit Rossinis „Petit Messe Solennelle“ samt Chor und Orchester ungewohnt pompös agieren.

Aus Pierwoß’ Sicht beweist der Abschiedsspielplan, dass die Bezeichnung „Theaterkrise“ für die im vergangenen Herbst aufgekommenen heftigen Turbulenzen am Goetheplatz eine irreführende Bezeichnung ist. Denn: „Dies ist nicht das Profil eines angeschlagenen Hauses.“ Es sei eine Strategie, so Pierwoß, die unbezweifelbare Finanzierungskrise zur Theaterkrise „umzudeklarieren“. Pierwoß: „Wir sind ja nicht unser eigener Geldgeber.“

Nichtsdestotrotz soll die Eigeneinnahmeseite mit aller Kraft ausgebaut werden. Interims-Geschäftsführer Wolfgang Patzelt rechnet mit Mehreinnahmen von 16 Prozent bei gleichzeitig stabilen Zuschauerzahlen – was im Umkehrschluss eine entsprechende Preiserhöhung bedeutet. Davon seien allerdings vornehmlich die beiden oberen Preisklassen betroffen. Insgesamt gelte, dass die finanzielle Konsolidierung des Hauses nicht nur zu Lasten der MitarbeiterInnen gehen dürfe – die müssen künftig voraussichtlich auf Lohnbestandteile verzichten. Neben einer notwendigen Eigenkapitalerhöhung seitens der Stadt sei eben auch eine „effektivere Preisgestaltung“ erforderlich.