Der Kampf um die Symbole

Der Verein Nofitti mobilisiert zum zweiten Anti-Graffiti-Kongress in der kommenden Woche. Ein Prograffiti-Bündnis reagiert schon vorab mit einer Demonstrationen. Eine Gegenüberstellung

Die Graffiti-Gegner

„Graffiti sind doof, weil sie doof machen“, sagt Karl Hennig. Der 58-Jährige ist Berlins erster Anti-Graffiti-Kämpfer. Mit seinem Verein Nofitti kämpft er gegen illegale Schmierereien, weil sie für ihn das Wohnumfeld und die Lebensqualität beeinträchtigen.

Das Problem: Graffiti sind oft hässlich und teuer – für die Besitzer der besprühten Flächen: 30.000 Euro habe die Reinigung des Areals um den Großen Stern im Tiergarten gekostet, sagt der Verein. Insgesamt betrage der Schaden jährlich mindestens 50 Millionen Euro.

Der Alltag: Im Kampf um saubere Straßen hat Nofitti erste Erfolge erreicht: Nach dem 1. Anti-Graffiti-Kongress im vergangenen Jahr wurde der öffentliche Druck so groß, dass im Bundestag das Gesetz verschärft wurde. Inzwischen drohen illegalen Sprayern bis zu zwei Jahren Haft. Hennig, Mitbegründer von Nofitti und Vorsitzender eines CDU-Ortsverbands in Prenzlauer Berg, ist stolz auf die Vereinsarbeit. Nofitti ist seit 1994 aktiv, seine 50 Mitglieder reinigen ehrenamtlich: 21 Spielplätze und Parks, 18 Denkmale wie etwa das Schinkeldenkmal, die dauerhaft vandalismusfrei gehalten werden.

Der Kongress: An diesen Erfolg will der Verein beim 2. Berliner Anti-Graffiti-Kongress im Roten Rathaus Ende nächster Woche anknüpfen. Die Hauptfrage dabei: „Wie können wir den Teufelskreis des Vandalismus von Sprühen, Entfernen und Sprühen durchbrechen?“ In Diskussionsrunden über Präventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen werden etwa Polizisten aus Hamburg oder die Graffitibeauftragten aus Zürich oder Oslo über ihre Erfahrungen berichten. Die Veranstalter erwarten 300 Teilnehmer aus zwölf europäischen Staaten und den USA.

Das Konzept: Als Vorbild für den Umgang mit illegalen Graffiti nennt Hennig die finnische Hauptstadt Helsinki. Dort müssten Hausbesitzer Graffiti innerhalb von 48 Stunden auf eigene Kosten entfernen. Das Problem dabei: Nur im Einvernehmen mit den Mietern könnten sie die Kosten auch auf diese umlegen. Für Berlin schlägt der Vereinsvorsitzende daher eine freiwillige Lösung vor, in der einige Hausbesitzer beginnen und so andere motivieren mitzumachen.

Der Anreiz: Auch für Schulen hat der Verein einen Plan entwickelt und erstmals den Wettbewerb „Graffitifreie Schule 2006“ ausgerufen. Die Preisträger werden auf dem Kongress mit dem „Nofitti-Bären“ und einer Sachspende ausgezeichnet. Nofitti will Schüler, Eltern und Lehrer würdigen, die durch „Aktivitäten, Vorhaben, Unterrichtsplanungen und Projekte den Vandalismus sowohl mit Reinigungsaktionen an Schulen als auch mit der geistigen Auseinandersetzung im Schulunterricht überwinden“. Christian Honnens

Infos: www.nofitti. de

Die Graffiti-Fans

„Graffiti ist kein Verbrechen!“, sagt Arian Wendel. Der 25-jährige Sprayer ist Aktivist bei dem „Prograffiti-Bündnis Berlin“. Er sieht Graffiti als Kunst und Kommunikation im öffentlichen Raum – genauso wie Veranstaltungsplakate und Suche-MitbewohnerIn-Zettel.

Das Problem: Graffiti sind künstlerische Arbeiten und gehören schon immer zur Jugendkultur. Zudem seien sie wichtig für viele politische und kulturelle Gruppen, meint Wendel. „Viele können aus Kostengründen keine kommerziellen Flächen mieten“. Für die Öffentlichkeitsarbeit bleibe daher meist nur der Weg über illegales Plakatieren oder Sprayen.

Der Alltag: „In erster Linie sprühten Jugendliche, weil sie künstlerisch aktiv werden wollen“, sagt Jana Hermanns, eine der Sprecherinnen des Bündnisses. Erst danach spielten der viel zitierte Kick des Illegalen und Fame – die Anerkennung aus der Szene – eine Rolle. „Teure Strafen schrecken nicht ab, sondern verschärfen den Effekt“, sagt Wendel, der für die Kreuzberger sozialistische Jugend „solid 36“ im Bündnis aktiv ist.

Die Demonstration: Die Graffiti-Freunde wollen die Akzeptanz in der Bevölkerung steigern. Deshalb werden sie am Samstag mit bis zu 500 Leuten „gegen die Kriminalisierung einer Jugendkultur“ demonstrieren. Der Zug beginnt um 16 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz und endet mit einem Abschlusskonzert am Mariannenplatz. Beteiligt sind Jugendprojekte, politische Initiativen und Einzelkünstler. Den Nofitti-Kongress kritisieren sie wegen seiner Rolle bei der Gesetzesverschärfung im vergangenen Jahr.

Das Konzept: Umstritten innerhalb des Bündnisses ist das Strafmaß für Sprayer: Einige fordern Straffreiheit, andere nur mehr legale Flächen. Zudem müsse die drohende Schließung von Jugendläden – wie dem Kreuzberger T.E.K – verhindert werden. Hauptziel des Bündnisses – und darin sind sich alle einig – ist ein politisches Signal gegen eine „Law-and-Order-Mentalität“, die davon ausgehe, sämtliche gesellschaftlichen und sozialen Probleme mit polizeilichen Mitteln lösen zu können.

Der Anreiz: Der Kiezboom e. V. arbeitet im Wedding mit arbeits- und perspektivlosen Jugendlichen. Unter dem Motto „Was los – bleib sauber“ reinigen sie besprayte Kindergärten und Grundschulen. Damit keine illegalen Sprühereien folgen, werden die Flächen bekannten Spraykünstlern und den Jugendlichen selbst zur Verfügung gestellt, erklärt Mesut Lencper. „Viele Sozialpädagogen sind krass beeindruckt von den Erfolgen“, sagt der ehrenamtliche Streetworker und Vereinsvorsitzende von Kiezboom.

Christian Honnens

Infos: www.prograffiti.tk