Verteidigungsminister gerät unter Beschuss

POLEN Oppositionspartei PiS macht Bogdan Klich für den Absturz der polnischen Präsidentenmaschine vor zwei Wochen im russischen Smolensk verantwortlich. Die Schuldfrage wird zum Wahlkampfthema

WARSCHAU taz | Wird Polens Premier Donald Tusk heute das Geheimnis um die Absturzursache des Präsidentenjets vor zwei Wochen lüften? Die Spannung ist groß. Die Flugschreiber sind längst ausgewertet. Doch auf den bisherigen Pressekonferenzen drucksten Polens Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet und die Militärstaatsanwälte herum.

Neueste Zielscheibe ist Polens Verteidigungsminister Bogdan Klich. Er solle die Verantwortung für den Absturz der Maschine in Smolensk übernehmen und zurücktreten, fordern Abgeordnete der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Sie geht mit Jaroslaw Kaczynski bei den Präsidentschaftswahlen ins Rennen.

Wie scharf der Ton in den nächsten Wochen werden kann, zeigte Adam Bielan, ein enger Vertrauter von Jaroslaw Kaczynski und Pressesprecher der PiS, am Wochenende. Bielan bezichtigte Polens Verteidigungsminister der „absoluten Lüge“. Im Jahr 2008 habe nicht der Präsident den Befehl zur Landung in Georgiens Hauptstadt Tiflis gegeben, sondern Verteidigungsminister Klich. Er sei damals an Bord gewesen und könne das bezeugen.

Gegen den Piloten, der sich dem Befehl widersetzt hatte, hatte ein PiS-Abgeordneter Strafanzeige gestellt. Polens Präsident kanzelte den Piloten als „Feigling“ ab, der in der polnischen Armee nichts zu suchen habe. Das Ermittlungsverfahren gegen den Piloten zog sich zwei Jahre hin. Wegen Befehlsverweigerung drohte ihm eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Das Verfahren wurde erst vor Kurzem eingestellt. Bogdan Klich verlieh dem Piloten daraufhin eine Medaille, da er die Gefahrenlage richtig eingeschätzt und in hoher Verantwortung für das Leben aller Passagiere gehandelt habe.

„Bielan lügt“, empörte sich Klich. Er habe damals mit dem Präsidenten telefoniert. Dieser habe von ihm verlangt, dass er dem Piloten den Befehl gebe, nach Tiflis zu fliegen. Klich habe sich geweigert, das zu tun, da nur der Premier ihm gegenüber weisungsbefugt sei. Polens Verteidigungsminister fiel bei den Kaczynskis in Ungnade.

Auch andere trommeln nun auf Klich ein. An den vier Unfällen in den letzten zwei Jahren sei die miserable Ausbildung der Piloten schuld. Die polnische Luftwaffe sei in einem erbärmlichen Zustand, sagt General Slawomir Petelicki, der Gründer der Eliteeinheit GROM (Donner). Dass Generäle, die für die Fehlentwicklung verantwortlich seien, nun mit der Ermittlung der Unfallursache betraut wurden, sei ein Skandal, so Petelicki. „Jeder Versuch, die Schuld für die Katastrophe beim Präsidenten zu suchen, dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte Polens, oder bei den Russen, kompromittiert uns nur noch mehr bei unseren Nato-Partnern.“ GABRIELE LESSER