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Vom Spaß am Scheitern

Parallel zur Fußball-WM wird in Deutschland die erste Weltmeisterschaft im Improvisationstheater ausgetragen. Für ein Vorbereitungsspiel traf die deutsche Theatersport-Nationalmannschaft in Osnabrück auf das Team RatzFatz.de

Ein Begriff wird gesucht. Ein sinnlicher. „Ein Begriff zum Assoziieren“, fordert Moderator Josef Mensen das Publikum im Osnabrücker Rosenhof auf. „Matsche“, ruft ein Zuschauer. Improvisationsspielerin Karin Krug versteht ihn nicht ganz. “Matsche oder Macho?“, fragt sie nach. Das Publikum stimmt ab, welches Wort es sein soll. Und bleibt bei der Matsche, die Assoziationsgrundlage für das erste Spiel bei diesem Theatersportmach wird.

Zwei Teams treten gegeneinander an: „RatzFatz.de“, eine Gruppe mit Akteuren aus Münster und Osnabrück, gegen Susanne Tiggemann, Karin Krug und Gunter Lösel vom der deutschen Nationalmannschaft im Improvisationstheater. Die macht im Juni und Juli bei der Theatersport-WM mit, die zum Kulturprogramm der Fußball-WM gehört. 16 Teams, unter anderem aus Simbabwe, Kanada und Japan, werden in insgesamt 55 Matches aufeinander treffen. Gespielt wird auch in Bremen, Hannover, Göttingen und Hamburg.

In Deutschland haben elf Regionen je einen Spieler für das Nationalteam gestellt. Teilweise seien die Spieler bei eigens veranstalteten Wettkämpfen nominiert worden, sagt Gunter Lösel. In anderen Regionen sei von vornherein klar gewesen, wer an der WM teilnimmt. Das liege auch daran, dass der Wettbewerb nicht nur in Deutsch, sondern auch in Englisch ausgetragen wird. Das traue sich nicht jeder auf der Bühne zu.

Für Improvisationsspieler sei neben der Sponanität wichtig, Bewertungen auf später zu verschieben, so Nationalspielerin Tiggemann. Und noch etwas brauchen die Spieler: Risikobereitschaft. „Sie müssen Spaß am Scheitern haben“, sagt Tiggemann, schließlich könne eine improvisierte Szene auch daneben gehen.

Susanne Tiggemann selbst spielt seit 18 Jahren bei der Dortmunder Gruppe „Emscher Blut“ Improvisationstheater, inzwischen macht sie das professionell. Das gilt auch für Gunter Lösel aus Bremen und Karin Krug aus München. Nicht immer gehe es um Theatersportmatches, berichten sie, schließlich gebe es auch andere Formen des Improvisationstheaters. Der Theatersport sei aber die Spielform, die das Improtheater populär gemacht habe. So populär, dass in München heute Schauspielschüler beim „fastfood theater“ mitmachen, um das Improvisieren zu lernen.

Vor Spielbeginn probt der Moderator mit dem Publikum die Punktevergabe nach jeder Spielrunde. Langsam zählt er von eins bis fünf. Das entspricht der Skala von sehr schlecht (eins) bis sehr gut (fünf). Gültig ist die Punktzahl, bei der das Publikum am lautesten klatscht.

Dann joggen die Teams auf die Bühne. Für die drei NationalspielerInnen ist das hier ein echtes Testspiel: Sie haben noch nie zusammen gespielt, trotzdem gehen sie sofort in Führung. Zu verdanken haben sie das ihrem Lied über Osnabrück. Weil sie die Stadt kaum kennen würden, „wollen wir uns ihr emotional nähern“, sagt Karin Krug und bittet um ein Wort, das zur Stadt passt.

„Durchschnittlich“, kommt es spontan aus den Stuhlreihen. „Wunderschön“, protestiert eine Zuschauerin. Zu spät. Stellt sich doch in dem aus dem Stegreif gedichteten Lied heraus, dass sich „osnabrücklich“ nicht nur auf „glücklich“, sondern auch wunderschön auf „durchschnittlich“ reimt. Dem Publikum gefällt‘s, das Nationalteam geht 16:13 in Führung.

Das Endergebnis bleibt unvorhersehbarer als beim Fußball. In der zweiten Hälfte kann „RatzFatz.de“ zum 28:28 ausgleichen. Schlechte und gute Matches gibt es also. Lässt sich das auch über das Publikum sagen? Nein, sagt Karin Krug. Improspieler müssten aus jeder Idee das Beste machen. Anne Reinert

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