Das Befreiungsschlägelchen

Der VfL Wolfsburg feiert einen wichtigen Auswärtssieg in Bielefeld, muss aber weiter um den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga zittern. In den restlichen drei Spielen dürfen sich die Niedersachsen keine Ausrutscher erlauben

Es lief die Nachspielzeit der ersten Halbzeit, als Bielefelds Torhüter Mathias Hain es mit dem Hampel-Trick versuchte. Er wedelte mit den Armen und hoppste auf der Linie seines Tores von der einen auf die andere Seite. Hätte man ihm Skier angeschnallt, wäre er wohl im Slalom-Stil davongebrettert. Seine Hoffnung: Der elf Meter von ihm entfernt stehende Wolfsburger Spieler Miroslav Karhan sollte derart verunsichert die sich ihm bietende Torchance auslassen. Doch Karhan schob den Ball unbeeindruckt an Hain vorbei ins rechte Eck.

Mit dem Strafstoßtreffer sicherte er seinen Wölfen den ersten Erfolg seit sieben Spieltagen. „Der Sieg war sehr, sehr wichtig und aufgrund unserer Torchancen in der zweiten Halbzeit auch verdient“, bilanzierte Trainer Klaus Augenthaler anschließend erleichtert.

Einen Befreiungsschlag im Abstiegskampf hatte er vor dem Spiel gefordert. Obwohl die Akteure den Drei-Punkte-Plan erfüllten, bleibt die Tabellensituation angespannt, da die Konkurrenz aus Frankfurt, Kaiserslautern und Köln ebenfalls Erfolge feierte. Die Wölfe dürfen sich in den restlichen drei Spielen keine Ausrutscher erlauben.

„Wir haben es jetzt selbst in der Hand“, sagte Augenthaler angesichts der ausstehenden zwei Heimspiele gegen die Kellerkinder aus Mainz und Kaiserslautern, „wenn wir es dann nicht schaffen, haben wir es auch nicht verdient.“ „Die Nervenbelastung bleibt“, konstatierte Geschäftsführer Klaus Fuchs.

Der Erfolg in Bielefeld mag den Niedersachsen Auftrieb geben, das Zustandekommen weniger. Das Abstiegsgespenst steckte ihnen in den Stutzen, die Fehlerquote war hoch, das Offensivverhalten ausbaufähig. Für das Tor brauchten sie Bielefelds Mithilfe in Gestalt des Innenverteidigers Petr Gabriel, der den in den Strafraum marschierenden Marian Hristov ungeschickt umpflügte. Zuvor konnte nur ein Kopfball von Steve Marlet einen Hauch von Torgefahr verbreiten. Mit Arminia hatten die Wolfsburger zudem einen schwachen Spielkameraden aus dem gesicherten Tabellenmittelfeld, dem nach einer kraftraubenden Saison die Luft auszugehen scheint.

„So sehen halt Spiele in dieser Saisonphase aus“, entschuldigte Augenthaler das Ausbleiben fußballerischer Qualität an diesem Samstagnachmittag. Ja, so trostlos kann er aussehen, der Abstiegskampf, den die Wolfsburger in dieser Spielzeit neu kennen lernen dürfen. Vorwürfe, das Absinken in den Tabellenkeller nicht rechtzeitig erkannt zu haben, wollte Klaus Fuchs nicht gelten lassen. Das sei vollkommen falsch, stellte er klar, seit Herbst sei man sich der ernsten Lage bewusst, doch man habe Ruhe bewahrt, statt rumzuhampeln.

Sexy Fußball wollten sie einst spielen, ein Ensemble aufbauen, das auf den großen europäischen Fußballbühnen auftreten sollte. Doch alle Umbaumaßnahmen an Kader und sportlicher Leitung endeten im Mittelmaß. Nun ist selbst das in Gefahr. Die Wolfsburger müssen weiter bangen, um sich demnächst nicht im nahen Braunschweig zweitklassig verhöhnen zu lassen.

Da ist es wenig hilfreich, dass sich die ohnehin angespannte Personalsituation durch Mike Hankes in Bielefeld erlittene Verletzung noch weiter verschärfen kann. Erste Diagnose: Kapsel- und Bänderverletzung am Knöchel. Dem Stürmer droht das vorzeitige Saisonende.

Hoffnungsspender hingegen ist der zwölfte Mann. „Schon beim 1:1 gegen Bremen in der Vorwoche sind Fans und Mannschaft enger zusammengerückt“, sagte Augenthaler, „dieser Zusammenhalt war auch heute spürbar.“ Andreas Beune