Zwitsch…!

VERSCHWÖRUNG? Der Twitteraccount der usbekischen Diktatorentochter Karimowa war kurzzeitig offline

Bisher galt der Onlinenachrichtendienst Twitter eigentlich als Despotenschreck und teilweise sogar mitverantwortlich für die Umbrüche und Revolten in Nordafrika. In Usbekistan scheint das wohl anders zu sein. Denn in dem zentralasiatischen Staat an der afghanischen Grenze trägt das Onlinegezwitscher der usbekischen Diktatorentochter Gulnara Karimowa zur moralischen Erbauung des gesamtes Landes bei. Davon ist zumindest die 41-jährige Usbekin überzeugt, als sie in letzter Woche bemerken musste, dass ihr Account bei dem auf 140 Zeichen beschränkten Kurznachrichtendienst offline war. Da konnten nur böse Mächte am Werk sein.

„Ausländische Feinde stört ein starkes, gebildetes und selbstständiges Usbekistan, sie wollen Usbekistan auf den Knien sehen“, analysierte scharfsinnig die immerhin in Harvard ausgebildete Politologin die Gründe für ihre twitterlose Zeit.

In Usbekistan ist Landeswohl schon längst Beute der Sippschaft des seit 1989 herrschenden Islam Karimow. Geht’s Töchterchen Gulnara Karimowa schlecht, geht’s dem Land schlecht. Das ist die einfache Regel.

Karimows ältester Sprössling hat in Europa einen formidablen Geldskandal an den Hacken, bei dem es um dreistellige Millionenbeträge in Euro und Franken geht. Seither verzichtet Gulnara Karimowa auf Westreisen, zumal ihr noch der Botschafterposten in Genf entzogen wurde. So kommunizierte die vielseitig begabte Tochter aus dem Land der Seidenstraße mit der Außenwelt ausgiebig über Twitter und ließ alle, die Lust hatten, an Yogaübungen, Musikkompositionen, Gedichten und Designerentwürfen teilhaben. Hin und wieder zog sie es allerdings auch vor, sich mit Menschenrechtlern zu streiten, oder beschimpfte die Herren Minister der väterlichen Regierung.

Ende Oktober beginnt in der usbekischen Hauptstadt Taschkent zudem Gulnara Karimowas höchst eigene Modewoche. Die style.uz ist eine Art Hochamt ihrer Selbstbeweihräucherung. Kaum möchte man sich vorstellen, welchen Schlag die Weltzivilisation erleiden würde, sollte Karimowa bis dahin ihr Gepiepe nicht in die Welt senden können.MARCUS BENSMANN, BISCHKEK