Das Volk belehrte die Diplomaten

Nepals König will mit seinen Zugeständnissen an die Opposition nur zur alten Verfassung zurück, die ihm viel Macht gab – dieses taktische Manöver begriffen die Demonstranten sehr schnell

NEU DELHI taz ■ Für die internationale Gemeinschaft war es das befreiende Wort, das die politische Krise Nepals endlich lösen würde. Kaum hatte König Gyanendra am Freitag angekündigt, er werde die „Exekutivmacht“ wieder an die politischen Parteien zurückgeben, atmeten Indien, die USA, EU und die UNO auf. Sie beglückwünschten den Herrscher zu seinem Schritt. Sie forderten die „Sieben-Parteien-Allianz“ auf, sich der Herausforderung zu stellen: einen Premierminister zu bestimmen.

Dabei hatte Gyanendra kein Wort verloren über die anderen Forderungen der Opposition, namentlich die Wiedereinsetzung der suspendierten Volkskammer, die Wahl eines Parlaments, das eine neue Verfassung ausarbeiten soll, sowie die Einbeziehung der Maoisten in diesen Prozess. Es war dann die Reaktion des Volks, das die Diplomaten in Kathmandu belehren musste, dass das Angebot des Königs in den Augen der Nepalesen ein weiteres taktisches Manöver ist, um sich an der Macht festzuklammern. Die Proteste am Wochenende zeigten deutlich, dass der König und das Ausland sich verrechnet haben.

Dabei machte das Verhalten des Palastes genügend deutlich, dass das Regime nicht daran dachte, die Macht aus den Händen zu geben. Das Ausgehverbot wurde unmittelbar nach der Fernsehansprache ausgedehnt, und seit Samstag ist auch der Mobilfunkverkehr wieder unterbrochen. Auch in seiner Ansprache hatte Gyanendra deutlich gemacht, dass er nur den Zustand vor seiner völligen Machtübernahme am 1. Februar 2005 wiederherstellen wollte. Jedermann in Nepal weiß, dass der König bereits lange zuvor begonnen hatte, die Notstandsparagrafen der Verfassung im Sinn einer unumschränkten Machtfülle zu interpretieren.

Die Verfassung von 1990 hatte zwar die absolute Monarchie abgeschafft, aber der König behält viel Macht: Er setzt die Regierung ein, er kann sie absetzen, er kann Einschränkungen der Grundfreiheiten verfügen – und vor allem ist die Armee direkt ihm unterstellt. Diese Machtspaltung und Handlungsunfähigkeit der politischen Exekutive haben in den letzten zehn Jahren einen Leerraum geschaffen, den die maoistischen Rebellen optimal genutzt haben. Die Annäherung zwischen den politischen Parteien und den Maoisten – und damit die Aufgabe des bewaffneten Kampfes – wird nur dann weiter bestehen, wenn dem König der Oberbefehl über die Armee aus den Händen genommen wird. Sonst, das hat die KPN, die Maoisten, deutlich gesagt, werden sie die bewaffnete Option nicht aufgeben. Und nur eine verfassunggebende Versammlung kann dem König den Titel des Oberbefehlshabers nehmen.

Der König weiß dies, und deshalb erwähnte er in seiner Rede weder das Parlament noch eine neue Verfassung noch die Maoisten. Doch in seinem verzweifelten Versuch, sich an seine von der „alten“ Verfassung eingeräumte Macht festzuklammern, drohen ihm nun alle Felle davon zu schwimmen. Nicht nur die Zahl der Demonstranten ist im wochenlangen Streik immer mehr angeschwollen. Auch die Stimmung hat sich radikalisiert. Die Rufe, den König zu hängen, werden immer lauter, er wird mit Ceaușescu und anderen Diktatoren verglichen, und der Appell zur Stürmung des Palasts ist nicht mehr nur rhetorisch gemeint. Am Sonntag hatten sich hinter der ersten Verteidigungslinie der Polizei erstmals auch Armeeeinheiten postiert. Doch wie lange werden die Militärs Gyanendra in Nibelungentreue ergeben bleiben?

BERNARD IMHASLY