Sie lassen es krachen

GALLERY WEEKEND Die hochoffiziell teilnehmenden Galerien des Gallery Weekends gehen mit eingeführten Künstlermarken auf Nummer sicher. Doch ganz ohne Underground geht es in Berlin dann doch nicht

Was Berlin ausmacht – Experiment statt Establishment – soll bei der Eintagsmesse „Sunday Fair“ zelebriert werden

VON GESINE BORCHERDT

Zum sechsten Berliner Gallery Weekend fliegen heute Kunstsammler aus aller Welt zum Schauen und Shoppen ein. Und man könnte meinen, die einst so oft beschworene junge, unkonventionelle Szene der Stadt sei mit der Krise und dem zeitgleichen Einzug der etablierten Kölner Galerien vor knapp zwei Jahren nun endgültig im Underground versunken.

Es sind vierzig von einer Jury ausgewählte, offiziell teilnehmende Galerien, die mit einem sechsstelligen Betrag einen VIP-Service à la Art Basel und ein exklusives Dinner (diesmal im Bodemuseum) finanzieren. Um ein potentes Publikum jenseits von Brandenburg in ihre Räume statt auf einen sterilen Messestand zu locken, gehen sie in diesem Jahr auf Nummer sicher: Neugerriemschneider zeigt Brit-Pop-Bilder von Elisabeth Peyton, Carlier Gebauer wartet mit Mark Wallinger auf, Max Hetzler präsentiert eine monumentale Installation aus Neonröhren von Monica Bonvicini. Eigen + Art und Galerie Crone setzen mit Martin Eder und Norbert Bisky auf schwülstige Figuration. Cecily Brown – die Tochter vom Kritikerpapst David Sylvester – wird dagegen bei Contemporary Fine Arts gerade abstrakter.

Die Neunziger sagen hallo

Dass trotzdem noch „Bock auf Frischfleisch“ besteht, wie Bruno Brunnet kürzlich verkündete, zeigt sein neuer Showroom im Charlottenburger CFA-Lager, wo nun eine kuratierte Gruppenshow mit jungen Berliner Künstlerfreunden stattfindet. Aber es gibt auch hochkarätige Dialogausstellungen: etwa bei Isabella Bortolozzi, wo alte Helden wie Lucio Fontana, David Hammons und Carol Rama mit Kai Althoff und Sergej Jensen kombiniert werden. Ein ähnliches Staraufgebot führt der Künstler Michael Craig-Martin bei Haas & Fuchs zusammen, darunter Damien Hirst und Sarah Lucas – die Neunziger lassen grüßen.

Spannender wird es bei Sprüth Magers, die außer der neuen, rein digital generierten „Ocean“-Serie des Starfotografen Andreas Gursky auch eine Schau mit jüngeren Künstlern zeigen, darunter Andreas Hofer und Rosa Barba. Und Capitain Petzel landet einen Coup mit Troy Brauntuch, einer Wiederentdeckung der „Picture Generation“ aus den 80er-Jahren. Dagegen sind Hans-Peter Feldmann (bei Mehdi Chouakri), Mary Heilmann (bei Barbara Weiss) und Tatsuo Miyajima (bei Buchmann) Künstler, die prima ins Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie passen würden. Auch Tobias Zielony mit seinen fotografischen Sozialstudien bei Koch Oberhuber Wolf ist zwar schon museal beachtet, aber längst nicht überall präsent. Das gilt auch für Fiete Stolte, der bei Sassa Trülzsch mit dem Fluxuskünstler Terry Fox, Jahrgang 1943, kombiniert wird. Selbst nicht eingeladene Galerien wie Haunch of Venison oder Arriata Beer lassen es krachen: Damien Hirst und Michael Joo hier, Omer Fast dort runden den Reigen der Blue-Chip-Künstler perfekt ab. Das fühlt sich an, als würde man nicht durch Berlin, sondern durch London Mayfair oder gleich durch die Tate Modern spazieren. Die Hauptstadt, so scheint es, ist ihrem eigenen Mythos entwachsen.

Mehr Experimente

Aber nicht überall. Das demonstrieren einige der jüngeren Galerien, die teils zum Mitmachen beim offiziellen Gallery Weekend eingeladen wurden, aber abgelehnt haben, nicht nur aus finanziellen Gründen. „Für uns ist das ein politisches Statement“, meint Markus Lüttgen von Lüttgenmeijer. Was Berlin für sie ausmacht – Experiment statt Establishment –, soll bei der Eintagsmesse „Sunday Fair“ zelebriert werden: Fünfzehn Teilnehmer, darunter auch Croy Nielsen, Circus und Supportico Lopez aus Berlin sowie ausländische Galerien wie Limoncello aus London, Villa Reykjavik aus Island und Tulips & Roses aus Vilnius, versammeln sich am Sonntag in dem kunstgerecht entworfenen Neubau am Rosa-Luxemburg-Platz. Sie zeigen dort unter anderem Özlem Altin, Danilo Correale, Yonatan Vinitsky oder Susanne Winterling – Letztere hat man von der Berlin Biennale 2008 in Erinnerung, alle anderen dürften für die meisten Besucher einigermaßen unbekannt sein.

Damit wird der schicke schwarze Kubus schräg gegenüber der Volksbühne zum Jack-in-the-Box: Das Potenzial an Überraschungen – oder auch Enttäuschungen – ist hier am Galeriewochenende wohl am größten. Aber der erstaunlichste Coup kommt noch. Jedem Kriseln zum Trotz, und vielleicht auch, um dem Rest der Kunstwelt zu zeigen, wie es geht: Wenn am 11. Juni die Berlin Biennale eröffnet – also kurz vor der Art Basel und mit Anpfiff der Fußball-WM –, gibt es noch ein Gallery Weekend. Darin bleibt sich die Kunstszene der Stadt treu: Wenn man meint, mehr geht nicht, setzt Berlin noch einen drauf.