Er brummt und brummt und brummt

Jan Feddersens Gastro-Kritik: Der „Würgeengel“ in Berlin-Kreuzberg hat auch nach 13 Jahren nichts an die Konkurrenz in Mitte verloren

Besitzer Oliver Schupp stammt aus dem Ruhrgebiet, ist studierter Biochemiker und wurde in Bayern gastronomisch geprägt. Als er nach Berlin kam, zog es ihn nach Kreuzberg. Wie alle Neuberliner. Heute bevorzugt er Charlottenburg – seinen Laden hat er noch immer dort, wo mal Punx den Ton angaben und heute Multikultis. Das sei damals, vor 13 Jahren, noch ein strenger Ton gewesen: Gegenüber vom „Würgeengel“ eine Autonomenkneipe, am Kottbusser Tor selbst, hinter den Neubauten, herrschte ein rauer Ton: Nicht dein Dorf, äh, Kiez hier?

Alternative Vopos quasi, an denen man vorbeimusste. Heute, ach, heute: Alles okay, nur dass der „Würgeengel“ noch steht und keine Kundschaft an den Bezirk Mitte verloren hat. Man geht dort ins Kino und lässt sich hernach in dem sommers rankenverhangenen Laden nieder. Und es brummt immer. Man kommt und geht, sucht sich, falls zu lautstark, hinten einen Platz.

Vorne, zwischen Tür und Tresen, ein Platz, der einem Dorfplatz nah kommt. Man steht dort in Grüppchen, scannt wohl mit dem Radar alles durch und trinkt sich durch die Karte. Cocktails gibt es … Schupp sagt: Perfekt gemixt, und nach Auskunft von Freunden stimmt das über alle Maßen. Die Bartender von freundlicher Bestimmtheit, sieht man ihnen beim Getränkebasteln zu, die Ergebnisse genießend. Der Wein, keine besondere Sorte, aber der Riesling sei ausdrücklich empfohlen: Schwer ihn so einzukaufen, dass man einen trinkt, der kein Kopfweh bereitet, aber der vom „Würgeengel“ mundete hübsch, auch am Morgen danach.

Warum der Laden heißt, wie er nun einmal heißt? Besitzer Schupp hat ein Faible für die bessere Kultur, für den Film in Sonderheit, also für Luis Buñuel und dessen Werk aus dem Jahre 1952, in dem Menschen sich von geheimnisvoller Kraft in eine Villa locken lassen … Jedenfalls ist es eine Kneipe, eine Bar, die auf sich hält – und die, wenn man in diese Gegend gezogen sollte, das Kennenlernen der Nachbarschaft auf das Zwangloseste erleichtert.

Die Speisekarte ist übrigens karg, aber die Tapas, das Herzstück des Angebots, sind vorzüglich. Nichts, womit man Freunden von auswärts imponieren könnte, aber lecker. Spätkommer müssen nicht dönern oder darben. Ansonsten arbeitet man mit dem Restaurant Gorgonzola nebenan zusammen. Bestellen Sie eine Minestrone. Es gibt aktuell keine bessere in der Stadt. Auch das Brot mit der Sesamcreme oder die Speckpflaumen … nicht spektakulär, doch appetitlich schon beim Angucken.

WÜRGEENGEL, Dresdener Str. 122, 10999 Berlin, Fon 030 615 55 60. Geöffnet täglich von 19 bis in die tiefe Nacht. Speisen: Kleinigkeiten, Tapas vor allem, 2 bis 7,50 Euro; Getränke: Cocktails & Wein & Bier & Nichtalkoholisches ab 2 Euro.