Linker Albtraum im Maßstab 1:87

AUSSTELLUNG Im Hamburger Miniaturwunderland haben die im Bundestag vertretenen Parteien ihre Städte der Zukunft entworfen. Visionen sucht man in der Ausstellung vergebens

Zwei Welten auf einem Quadratmeter: Fiesbaden und Wiesbaden. In der ersten ist es düster. Männer malochen in einem Gefängnis, daneben steht, architektonisch anspruchslos, ein Plattenbau, in den Hartz-IV-Empfänger gepfercht sind. Hinten überschattet eine „Daten-Bank“ mit hunderten Fenstern alle anderen Gebäude, davor stehen fünf Demonstranten und dreimal so viele Polizisten. „Freiheit statt Angst“, steht auf den Plakaten, doch in Fiesbaden ist diese Forderung Makulatur. Im Zentrum steht das NSA-Gebäude. Albtraum im Kleinformat.

Es handelt sich hierbei um eine von der Linkspartei entworfene Stadt im Miniaturwunderland Hamburg. Das Motto: „Wie wollen wir leben?“ Etwa in Fiesbaden? Blickt man auf die andere Seite, nach Wiesbaden, weicht der Beton Bäumen, selbst der NSA-Bunker ist mit Efeu und anderem Grünzeug überwuchert. Eine Schafherde grast, Kinder planschen im Bach und Menschen leben in Baumhäusern. Natur und Zivilisation verschmelzen.

„Utopia 2013“ heißt die Sonderausstellung, für die Bundestags-Parteien ihre Stadt-Visionen darstellen sollten. Teilweise sind diese wenig überraschend umgesetzt: So sieht man bei der Grünen-Stadt viele Photovoltaik-Anlagen, die CDU setzt auf Tradition wie eine Kirche im Zentrum und selbstironisch auf eine „#Neuland-Agentur“.

Keine der Miniaturstädte mutet architektonisch arg futuristisch an. Neubauten mischen sich mit alten Häusern, teils Jugendstil, teils Gotik. Oftmals ist die Natur eminent: Auf dem Rathausdach der CDU-Stadt sieht man einen Imker bei der Arbeit; bei den Grünen lernen die Kinder in einer Ganztagsschule auf den Dächern. Stets sind die Menschen beisammen, auf Marktplätzen. Bei der FDP-Stadt fällt ein Haus besonders auf: Der Schriftzug „Arbeitsamt“ darauf ist verblichen, nun steht dort: „Bürgerbüro & Start-up-Center“.

Lediglich die SPD hat auf Gebäude verzichtet und setzt dafür auf Symbolik. Menschen ringen dort eine Heuschrecke nieder, da hissen sie die Fahne „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, hier drücken manche eine große Schere zusammen, auf der „arm“ und „reich“ steht. Visionäre Stadt? Fehlanzeige. Wenigstens ist die Symbolik eingängig. „Mama, da is’ eine Treppe im Buch!“, bemerkt eine Besucherin. Ihre Mutter dazu: „Ja, die wollen Bildung für alle.“

Die Besucher des Miniaturwunderlandes durften ihr Lieblingsdiorama wählen. Die SPD wurde mit rund 27 Prozent stärkste Kraft, dahinter die CDU. Die FDP kam auch hier nicht über die Fünfprozenthürde. Aber die Ausstellung läuft bis Ende Dezember; so lange ist die liberale Partei wenigstens im Miniaturwunderland noch mit ihrem Start-up-Center vertreten.  AMA