„Innerhalb der SPD dürfte der Streit nicht sehr groß sein“

Nur mit einem Grundsatzprogramm hat die SPD eine Chance, in der Bundesrepublik eine Volkspartei zu sein, meint der Politologe Thomas Meyer

taz: Herr Meyer, die SPD ringt – wie schon seit Jahren – wieder einmal um ein Grundsatzprogramm. Wozu die Anstrengungen?

Thomas Meyer: Die SPD ist eine Programmpartei, so ist es immer gewesen, und so muss es auch in Zukunft sein. Sie braucht ein Grundsatzprogramm, das alle Mitglieder, oder fast alle, unterstützen. Nur so hat die Partei eine Chance, in der Bundesrepublik Deutschland eine Volkspartei zu sein.

Kann der Schuss nicht nach hinten losgehen, wenn die Debatte erneut wie schon früher keine Früchte trägt?

Die Gründe dafür, dass es in den letzten sechs Jahren nie zum Torschuss gekommen ist, liegen an dem fortwährenden Wechsel im Parteivorsitz. Denn so ein Programmprojekt ist immer sehr stark mit der Person des Vorsitzenden verbunden. Jedes Mal ist – kurz vor Torschuss – das Spiel abgeblasen worden.

Allerdings hat Kurt Beck als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und designierter SPD-Bundesvorsitzender mit seinem programmatisch begründeten Vorstoß zur Steuererhöhung bereits für Unruhe in der Partei gesorgt.

Innerhalb der SPD dürfte der Streit nicht sehr groß sein. Dort wird man sich auf Steuererhöhungen einigen können. Klar ist, es muss um eine stärkere Steuerfinanzierung des Sozialstaats gehen. Das muss man dann in der gesamten Gesellschaft vernünftig begründen und erklären.

Die rot-grüne Bundesregierung unter dem Sozialdemokraten Gerhard Schröder konnte ihre Reformen nie so recht der Bevölkerung verständlich machen. Ist die Programmdebatte der Versuch, den Pragmatismus Schröders zu überwinden?

Es gehörte zu den Fehlern der Regierungskunst Gerhard Schröders, dass er die Veränderungen, die er vorgenommen hat, nicht begründet hat – er hat sie nicht in einen größeren Zusammenhang gestellt. Es ist ein Teil der Programmarbeit, das jetzt nachzuholen.

Wird es der Sozialdemokratie als Teil einer großen Koalition auf Bundesebene leichter fallen, sich auf ein zukünftiges Programm zu einigen – schließlich muss sie im Zweifel die Lyrik des Programms nicht eins zu eins umsetzen?

Bei einer SPD-geführten Regierung wäre die Programmdebatte nicht viel anders gewesen. Da hätte man gesagt, es gibt Langfristziele, die wir jetzt nicht direkt durchsetzen können. Und es gibt Mittelfristziele, bei denen wir sehen müssen, wie die Tagespolitik damit umgeht. Mit kurzfristiger Tagespolitik hat das Grundsatzprogramm zunächst nichts zu tun.

Welche Bedeutung hat das Programm dann überhaupt für die Regierungsarbeit der SPD?

Es muss in dem Programm ganz deutlich sichtbar werden, wie die Linien sind. Das ist ein Maßstab dafür, ob die Schritte, die man jetzt geht, – auch in der großen Koalition – im Prinzip richtig sind. Die Schritte können dann möglicherweise etwas kleiner ausfallen, aber sie sollten nicht in eine Richtung gehen. Die Botschaft an die Wähler ist: Jetzt können wir in der Koalition nicht genug machen, aber dort soll die Reise hingehen, und zwar in größeren Schritten.

Wann wird die SPD ihr Grundsatzprogramm präsentieren können?

Ich denke, dass im Frühsommer 2007 ein Abschluss der Debatte da sein wird – und ein Programm, das den großen Konsens der Partei findet.

INTERVIEW: SASCHA TEGTMEIER