DOROTHEA HAHN IM US-GEFANGENENLAGER (3)
: Haarschnitt für 10 Dollar

Die Preise beim Einkaufen oder für Essen in den Restaurants sind ungleich niedriger als in den USA

„Die Insel“, sagt die Friseurin. Seit fast zwei Monaten lebt sie in Guantanamo-Bay. Frisiert und rasiert die Köpfe von Soldaten und ihren Angehörigen. Der US-Militärstützpunkt erscheint ihr wie ein eigenständiges Stück Land in der Karibik. Sie weiß nicht, dass Guantanamo-Bay tatsächlich ein Naturhafen in Kubas Südosten ist – gelegen auf derselben großen Insel wie Havanna. Und sie weiß auch nicht, dass die Kubaner die Legitimität der US-Basis bestreiten. Die Welt der Bewohner von Guantanamo-Bay endet an der „Verteidigungslinie“. So heißt die massiv bewachte Grenzlinie zur Republik Kuba im Militärjargon der US-SoldatInnen.

Die Friseurin stammt aus Jamaika. Ein „Contractor“ der US-Armee – ein Subunternehmer – hat sie dort angeworben. Die meisten zivilen Beschäftigten auf der US-Basis Guantánamo stammen aus Jamaika. Sie verkaufen die Hot Dogs. Sie bauen die Kasernen, Gefängnisse und Wohnhäuser. Und sie kochen und sie putzen für die US-SoldatInnen.

Für die Jamaikaner ist es ein gut bezahlter Job. In nur 45 Minuten Flugentfernung von Zuhause und in der Sprache ihres eigenen Landes. Für die USA bietet das Arrangement den Vorteil, dass die diplomatischen Beziehungen zum Herkunftsland berechenbar sind. Das verhält sich anders mit dem näher gelegenen Haiti. Und ist noch komplizierter mit Kuba. Ursprünglich kamen die meisten zivilen Beschäftigten des 1903 eröffneten US-Stützpunkts aus Kuba. Doch nach der Revolution mussten sich die Kubaner entscheiden. Die meisten von ihnen haben damals die US-Basis verlassen.

Die neuen Vertragsarbeiter sind nur vorübergehend auf der Basis. Sie bekommen eine Aufenthaltsgenehmigung, die an den Job und den Ort gebunden ist. Ein Anrecht auf die Green Card für die USA bekommen sie bei den „Contractors“ nicht. Dieses Privileg erhalten nur die Beschäftigten der US-Armee.

Geografisch mag Guantanamo-Bay keine Insel sein, aber es ist eine abgetrennte Welt. Sprachlich, politisch und wirtschaftlich ist dort alles anders. Nicht nur, als in Kuba. Sondern auch, als in den USA. Der Stützpunkt gehört rechtlich und völkerrechtlich nicht zu den USA. Diese besondere Situation machte es 2002 möglich, dass die USA dort das Hochsicherheitslager nur für ausländische Gefangene eröffneten, das keiner Rechtsgrundlage in den USA entspricht.

Für den Gefangenen im Hochsicherheitslager ist die besondere Lage von Guantánamo ein Fluch. Für den Alltag der Soldaten und der Vertragsarbeiter hat sie auch Vorteile. Ihre Bezahlung ist gut. Und die Preise, die sie bei ihren Einkäufen in den Läden und für Essen in Restaurants bezahlen, sind ungleich niedriger als in den USA.

Die US-Armee, die das Monopol über das örtliche Geschäftsleben hat, und sämtliche Waren auf die Basis bringt, macht es möglich. Hinzu kommt, dass auf Produkte, die in den Armyläden der Nex-Kette, wo US-Soldaten weltweit ihren Bedarf decken, grundsätzlich keine Steuer erhoben wird. So komme ich zu einer Friseurin aus Jamaika, die meine Haare zu dem von der US-Armee subventionierten Spottpreis von 10 Dollar schneidet.