In Deutschland und Polen gibt es immer mehr tote Gleise

VERKEHR Zwei Drittel der EU-Länder bauen ihr Schienennetz zurück – auch Deutschland

Während das Schienennetz schrumpft, wächst das Straßennetz weiter

BERLIN taz | Mit 80 Stundenkilometer rollt ein Güterzug über die Schienen und gehört damit zu den langsamsten Gefährten auf einer Bahntrasse. Ein herannahender, schnellerer Zug kann ihn vielerorts nicht mehr überholen, so wie es häufig auch auf der rechten Rheinseite zwischen Frankfurt/Main und Köln der Fall ist. Denn die Überholgleise fehlen. Sie wurden abgebaut, so wie deutschlandweit rund 7.000 weitere Kilometer Bahnstrecke.

Um gute 17 Prozent ist das deutsche Schienennetz zwischen 1990 und 2008 geschrumpft. Deutschland fällt damit beim Ausbau der Bahntrassen hinter Länder wie Spanien und die Niederlande zurück, in denen sich das Schienennetz vergrößerte. Das belegen Zahlen des Bündnisses „Allianz pro Schiene“, die auf Daten der EU-Kommission basieren. Demnach haben zwei Drittel aller EU-Länder ihr Schienennetz in den vergangenen 20 Jahren abgebaut. Insgesamt schrumpfte das Netz in Europa um rund 8 Prozent. Mit etwa 25 Prozent hat Polen die meisten Trassen abgebaut, Deutschland reiht sich direkt dahinter ein. Mit rund 34.000 Kilometern besitzt Deutschland allerdings nach wie vor das größte europäische Schienennetz.

Die Bahn argumentiert, dass der Erhalt von Streckenabschnitten sich nicht immer rechnet. Denn es ist teuer, die Trassen instand zu halten. Rentiert sich eine Trasse nicht, kann die Bahn-Aufsichtsbehörde darüber entscheiden, diese stillzulegen.

Während das Schienennetz in Deutschland schrumpft, wächst das Straßennetz, und zwar um 2 Prozent. 5 Milliarden Euro gibt der Staat durchschnittlich im Jahr für den Ausbau der Straßen aus – mehr als für Schienen und Wasserwege. Auch wenn der Schienenverkehr jährlich nur 3,8 Milliarden Euro erhalte, werde dieser Bereich „nicht vernachlässigt“, betont ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. „Alle drei Verkehrsträger sind für das Gesamtverkehrssystem wichtig, weshalb ihre jeweiligen Stärken optimal genutzt werden sollen.“

Die Bahn-Expertin Heidi Tischmann vom Verkehrsclub Deutschland hält die Investitionen in den Schienenverkehr für nicht ausreichend. Sie fordert jährlich 5 Milliarden Euro für die Schienen – vor allem für den Erhalt der Güterverkehrsstrecken.

JULIA HENKE