NEPAL: WARUM HAT DIE OPPOSITION DEN KÖNIG NICHT EINFACH VERJAGT?
: Verrat, wenn die Reformen ausbleiben

Klar ist: Ein König, der tagelang auf sein Volk schießen lässt, gehört vor Gericht und nicht mehr in den Palast. Und das auch dann, wenn er im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie nur noch eine zeremonielle Rolle haben sollte. Insofern verwundert auf den ersten Blick die Reaktion der nepalischen Sieben-Parteien-Allianz. Sie hat nach dem Angebot König Gyanendras, das 2002 aufgelöste Parlament wieder einzusetzen, ihre wochenlangen Massenproteste beendet, statt ihn zu verjagen. Verraten die Parteien damit jetzt das Volk, wie von den Maoisten behauptet? Haben die Parteien Angst vor der eigenen Courage, ja sogar vor dem eigenen Volk, das zuletzt immer stärker auch für ein Ende der Monarchie auf die Straße ging?

Die sieben Parteien stecken nicht nur im Dilemma zwischen Reform und Revolution, sondern drohen auch zwischen Königshaus und Armee einerseits und den bewaffneten Maoisten andererseits zerrieben zu werden. Die Massenproteste haben das Königshaus geschwächt. Ihm jetzt den Todesstoß zu versetzen, trauen sich die Parteien nicht, weil sie dann allein mit den Maoisten sowie einer kopflosen Armee konfrontiert wären. Das derzeitige Einlenken ist nicht mutig, zeigt aber eine realistische Einschätzung der eigenen Schwäche.

Die Parteien waren schon früher nicht überzeugend – weshalb die Maoisten zu den Waffen griffen und der König so lange Zeit mit der Ausschaltung des Parlaments durchkam. Jetzt liegt der Ball wieder im Feld der Demokraten. Stark sind sie nur, wenn sie sich einig sind, und sie müssen zwischen Königstreuen und Maoisten einen politisch akzeptablen Ausgleich finden. Dazu gehört auch ein Referendum über die Zukunft der Monarchie. Die Herkulesaufgabe der Parteien besteht darin, den konstitutionellen Reformprozess glaubwürdig zu gestalten und dabei die Maoisten einzubinden.

Der Konflikt mit ihnen kann nicht militärisch gelöst werden. Daran ist bereits der König gescheitert. Der maoistische Aufstand hat soziale Gründe, die beseitigt werden müssen. Erst darin entscheidet sich, ob die Parteien das Volk verraten oder den Herausforderungen gewachsen sind. SVEN HANSEN