Ausgerechnet Geologe

Anthony Hayward herrscht über eine der reichsten und damit mächtigsten Firmen der Welt, den Ölkonzern BP. Dessen Wert schwindet allerdings täglich, denn die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko nagt am Börsenkurs von BP: Von 100 Milliarden Pfund Aktienwert vor der Explosion der Ölplattform sind schon fast 20 Prozent weg.

Der Schaden kann bisher nur grob hochgerechnet werden, von 8 Milliarden Dollar ist die Rede. Das klingt bedrohlich, ist aber verdaubar für einen Konzern wie den von Hayward: Der Chief Executive Officer des Ölriesen hat vor einer Woche den letzten Vierteljahresgewinn vorgestellt: stolze 6 Milliarden Dollar.

Das Problem für Hayward ist nicht die drohende Pleite. Vielmehr ist sein Image besudelt. Ausgerechnet er war am 1. Mai 2007 überraschend schnell CEO geworden, weil sein Vorgänger unter anderem eine lecke Ölpipeline in Alaska und eine explodierende Raffinerie in Texas mit 15 Toten und 170 Verletzten nicht in den Griff bekam. Hayward wagte es, seinen damaligen Chef zu kritisieren, der Führungsstil bei BP sei zu autoritär. Dann wurde der Mann aus einfachen Westlondoner Verhältnissen und Ältestes von sieben Geschwistern selbst Chef.

Nun holt Hayward die Realität des immer riskanteren Ölgeschäfts ein. Und dieses Geschäft kennt er von der Pike auf: Er hat einen Doktor in Geologie, 1982 trat er in die Ölbohrsparte von BP ein und stieg dort schnell nach oben. Von London aus orchestriert er nun die Schadensbegrenzung, will alles zahlen. Aber er ist eben auch verantwortlich für das Lobbying seines Konzerns in Washington – unter anderem, damit Obama mehr Bohrungen in den Offshore-Gewässern der USA erlaubt. Da hat er jetzt ein Argumentationsproblem, der Geologe. REINER METZGER