„Hauptsache schulfrei!“

Der erste Bremer Boys’ Day brachte zwar nicht die erwünschte Beteiligung. Dafür aber die Erkenntnis, dass Schüler auch ohne Hilfestellung gut wissen, in welchem Beruf sie später arbeiten möchten

von Jessica Riccò

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Das weiß auch Ursula von der Leyen. Darum ermutigte die Bundesfamilienministerin die Schulen, dieses Jahr für noch mehr Gleichstellung am Girls’ Day zu sorgen.

„Kinder müssen wieder lernen, ihr Leben zu meistern“, meinte die deutsche Mutter in einer Stellungnahme. Als Pendant zum Girls’ Day – für Mädchen – sollen auch Jungen einen Tag lang über ihre Arbeitsmöglichkeiten in männeruntypischen Berufen aufgeklärt werden: Der Boys’ Day fand gestern praktischerweise gleichzeitig mit dem Girls’ Day statt. Auch in Bremen zum ersten Mal.

Der Girls’ Day propagiert in der Bundesrepublik nun schon im fünften Jahr Gender Mainstreaming in Höchstform. Einen Tag lang dürfen Mädchen mit Papi zur Arbeit gehen. Dabei sollen sie lernen, dass Berufe wie Bohrinselarbeiter oder Informatiker für sie auch zugänglich sind – und möglicherweise interessant. Umgekehrt sollten Jungen gestern die Möglichkeit nutzen, frauentypische Berufe im Rahmen eines Schnuppertages kennen zu lernen.

Raoul Hölke vom Hamburger Gymnasium hat die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Er hat in einem Kindergarten hospitiert. „Mit kleinen Kindern zu spielen ist lustig, auch wenn es mitunter ganz schon stressig ist,“ sagt der Elfjährige. Falls eine spätere Karriere als Astronaut oder Tennisprofi nicht klappt, möchte er Erzieher oder Lehrer werden.

In seiner Klasse hat, außer einem weiteren Kindergärtner in spe kein teilnehmender Schüler einen frauentypischen Arbeitsplatz inspiziert. Stattdessen sind die Jungen für einen Tag beim Staatsanwalt oder Arzt gewesen. Als Raoul sich als Erzieher outete, wurde in seiner Klasse gegrinst. Noch weiblichere Berufe wie etwa Entbindungshelfer oder Kosmetiker hätte sich keiner zu wählen getraut.

In seinem eigentlichen Sinn wurde der Boys’ Day kaum in Anspruch genommen. Tim, ebenfalls elf Jahre alt, verbrachte seinen Gleichberechtigungstag in der Bäckerei seiner Eltern. „Das ist besser, als zur Schule zu gehen“, meint er, sichtlich von den ungewöhnlichen Arbeitszeiten strapaziert. Dass es bei diesem Tag eigentlich um Rollentausch der Geschlechter geht, hat er nicht gewusst. Auch in der Schule wurde das nicht thematisiert.

Da wundert es nicht, dass ein eigens erstelltes Verzeichnis von Praktikumsstellen für den Boys’ Day so gut wie gar nicht genutzt wurde: Von 35 Plätzen wurden zwei vermittelt. Dabei waren die Angebote am Theater oder in einem Computergeschäft nicht mal besonders frauentypisch.

Mangelndes Sendungsbewusstsein in Sachen Chancengleichheit erklärt sich aber nicht allein aus falscher Scham und Unwissenheit der Jungen. Auch Mädchen nutzen den Girls’ Day eher als beliebige Abwechslung zum Schulalltag. Die 13-jährige Swaantje hat ihren Tag beim Uhrmacher verbracht. „Aus Neugierde“, verrät sie. Außerdem seien alle Schüler verpflichtet gewesen, einen Tag lang ein Praktikum zu machen.

Im vergangenen Jahr war die Schülerin bei ihrem Vater in der Krankenhausverwaltung. Interesse an klassischen Männerberufen hat sie durch den Girls’ Day aber nicht entwickelt. Eigentlich möchte Swaantje lieber Biologin werden. „Aber das mache ich erst, wenn wir ein richtiges Praktikum machen – in der 9. Klasse.“