„Da kommt kein Italiener mit“

Gerhard Olschewski, der die eigentliche Hauptrolle im Landarzt spielt, erklärt norddeutsches Temperament

taz: Herr Olschewski, Hand aufs Herz – die eigentlichen Hauptrollen spielen nach 20 Jahren „Der Landarzt“ doch nicht der Landarzt-Darsteller Walter Plathe, sondern Sie.

Gerhard Olschewski: (lacht) Fast. Ich meinte erst vor kurzem zu Walter Plathe: Walter, soll ich dir mal sagen, wer die Hauptrollen beim Landarzt spielt? Die Rapsfelder, meine Mütze und dann kommst du.

Immerhin an dritter Stelle.

Das Zentrale am Landarzt ist ohne Frage die Natur, das Norddeutsche, das im Süden gern als ein wenig exotisch wahrgenommen wird. Das kommt da richtig gut an. Sie sollten mal sehen, wie die Leute in Süddeutschland manchmal auf mich reagieren. Das ist fast wie bei Robbie Williams (lacht laut).

Diese Euphorie ist Ihnen als Norddeutscher ja eher fremd.

Eigentlich bin ich gebürtiger Masure, bin aber mittlerweile und fühle mich auch als Dithmarscher, weil ich dahin nach dem Krieg geflohen bin. Diese Mentalität findet sich auch in meiner Rolle als Kräuterdoktor Alfred Hinnerksen wieder. Der gibt ja nie eine klare Antwort, redet dabei laut mit sich selbst, ist aber gnadenlos ehrlich. Wie die Bayern. Bei denen heißt es „schleich di!“, bei Hinnerksen eben geradeaus „ach, hau ab!“ Er veröffentlicht stets seine Denkvorgänge. Typisch Dithmarscher.

Mittlerweile sind Sie aber Lübecker.

Seit ich elf bin. Ich habe damals einen Abschiedsbrief an Dithmarschen an den Wegesrand geheftet, dass das dort die glücklichste Zeit meines Lebens gewesen sein würde. Das wusste ich damals schon, einfach vor die Tür gehen und mitten in der Natur zu sein, ist das Wunderbarste auf der Welt. Anders als in jeder Stadt möglich. Dort lieben sie aber die Serie über das Landleben, weil es so karikiert wird, wie sie es nicht kennen.

„Der Landarzt“ ist eine Karikatur?

Eine leichte, aber die Serie ist insofern real, weil sie die Menschen da so zeigt, wie sie sein könnten. Und vielleicht auch sollten. Die Leute merken da eben schnell, dass ihr Gegenüber nicht nur oberflächliches Interesse zeigt, sondern echte Anteilnahme. Und wenn du den Norddeutschen erst mal hast, dann ist er so temperamentvoll – da kommt kein Italiener mehr mit.

Lag das Entstehen und der Erfolg vom Landarzt Mitte der Achtziger an einer Rückbesinnung zur Heimat?

Das war keine Rückkehr, sondern eine Abkehr vom damaligen Fernsehen. Von Mord und Totschlag, der ganzen Gewalt im Fernsehen, gerade mit dem Aufkommen der Privatsender. Die Fernsehmacher haben da eine große Verantwortung. Ich persönlich bin aber schon als junger Mann aus James-Bond-Filmen rausgegangen, weil mir das zu gewalttätig war, zu männlich.

Sind Serien wie „Der Landarzt“ oder „Forsthaus Falkenau“ und „Schwarzwaldklinik“ nur einzelne Lichter in dieser TV-Realität oder auch Vorbilder?

Sie sind vor allem Resultate der Perversion, dass die Leute noch mehr Tod und Gewalt sehen wollen, als ihnen die Realität ohnehin schon vorgibt. Erst die Tagesschau und dann noch diese gespielte Scheiße. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich – obwohl ich brutal sein kann und sechs Jahre Kiez-Erfahrung habe – nie der Gewalt erlegen bin. Und das symbolisiert die Serie. Ich bin übrigens auch stolz, nie Reklame gemacht zu haben. Bis heute nicht.

Interview: Jan Freitag