Die Gäste präsentieren sich mit Freuden

Nicht nur Deutschland versucht sich während der Fußball-WM im besten Licht darzustellen. Auch die Gäste polieren ihr Image kräftig auf: Holland etwa illuminiert seine Botschaft, die Briten übersetzen ihre traditionellen Fußballgesänge auf Deutsch. Mit im Boot sind oft auch landestypische Sponsoren

von MICHIEL HULSHOF
und RAFAL WOS

„Psychologische Kriegsführung“ nennt man das wohl im Fußballjargon. Ab dem 1. Juni wird die niederländische Botschaft an der Klosterstraße von großen Scheinwerfern in orangefarbenes Licht getaucht. Solange die Holländer im WM-Turnier bleiben, wird das preisgekrönte Gebäude des Architekten Rem Koolhaas in der Farbe der Nationalmannschaft und der holländischen Königsfamilie strahlen. „Das heißt: bis zum Finale“, verkündet eine Sprecherin der Botschaft fröhlich. Die Kosten für die publicityträchtige Erleuchtung trägt aber keinesfalls die Regierung in Den Haag. Sie übernimmt der holländische Energiekonzern Nuon, der sich damit zugleich selbst ins rechte Licht rücken will. Schließlich betreibt Nuon bereits die 200.000 Straßenlaternen der Berliner Stadtlicht GmbH. Und die Firma versuchte zuletzt mit einer großflächigen Werbekampagne ihren Marktanteil bei den Berliner Privatkunden zu erhöhen.

Es dauert noch gut einen Monat bis die wohl größte Veranstaltung der Welt beginnt. Doch längst ist klar, nicht nur das Gastgeberland wird die Fußball-Weltmeisterschaft weidlich nutzen, um sich der Welt als „Land of Ideas“ zu präsentieren. Auch die Gäste schicken keineswegs nur ihre Kicker in die Stadien.

Die mexikanische Botschaft hat für die Selbstdarstellung des Landes einen Pakt geschlossen – mit Maseca. Der weltweit größte Tortillafabrikant versucht gerade, den europäischen Markt zu erobern. Botschafter Jorge Castro-Valle Kuehne hat vor kurzem zusammen mit Maseca-Vizepräsident Alberto González ein ausführliches Kulturprogramm zur WM präsentiert. Ganz egal wie ihre Mannschaft abschneidet – die Mexikaner wollen auf jeden Fall bis zum Finale am Ball bleiben. An diesem Tag, dem 9. Juli, feiern sie eine „Fiesta mexicana“ in einem Tagungszentrum am Pariser Platz. Aufgetischt wird dort neben der in Mexiko sehr bekannten Sängerin Patricia Manterola natürlich auch eine ausführliche Auswahl der heimischen Küche – etwa Tortillas von Maseca. Die kann man jedoch nur mit Einladung genießen.

Publikumsnäher zeigt sich das Land bereits vor dem Start der WM. Vom 19. bis 21. Mai wird vor dem Roten Rathaus „Pok-ta-Pok“ vorgeführt, eine der Urformen des Fußballspiels, die es schon seit 3.000 Jahren gibt. Allerdings ist die heutige Auslegung der Regeln etwas humaner als noch bei den Mayas. Die Sieger des Spiels wurden – der Legende nach – den Göttern geopfert und freuten sich darauf. Welch ein Ansporn, ein Spiel zu gewinnen!

Weitere Einblicke in die Geschichte des südamerikanischen Fußballs verspricht das Ibero-Amerikanische Institut an der Potsdamer Straße. Dort laufen Spiel- und Dokumtarfilme über Fußball. Am 17. Mai gibt es zudem ein Fußballkonzert, organisiert von den Botschaften aller iberoamerikanischen WM-Teilnehmer: Argentinien, Costa Rica, Ecuador, Paraguay, Portugal, Mexiko, Spanien und natürlich Weltmeister Brasilien.

Das Land, in dem Fußball irgendwo zwischen Religion und Kunst angesiedelt ist, veranstaltet schon seit Anfang 2006 die „Copa da Cultura“. In ständigem Wechsel werden dabei einzelne Aspekte der brasilianischen Kultur präsentiert. So ist die laufende Woche Nelson Rodrigues, dem bedeutendsten Dramatiker des Landes, gewidmet. Er schrieb nicht nur Theaterstücke, sondern auch legendäre Fußballchroniken, in denen sich das Brasilien der Jahre 1950 bis 1970 widerspiegelt.

Auch die Briten versuchen ihr Image aufzupolieren. Während jeder halbwegs informierte Deutsche nur an das umstrittene Wembley-Tor aus dem WM-Endspiel 1966 zwischen England und Deutschland denkt, knüpfen die Briten nun an einen viel stärkeren WM-Mythos an. „Das Wunder von Bern geschah mit britischer Hilfe“, teilt die Botschaft auf ihrer extra eingerichteten Worldcup-Seite im Internet mit. Denn – was hierzulande kaum noch jemand weiß – im legendären WM-Finale 1954 gelang den Ungarn drei Minuten vor Schluss noch der Ausgleich zum 3:3. Doch der Linienrichter – ein Waliser namens Mervyn Griffiths– hob seine Fahne, erkannte auf Abseits und machte Fritz Walter und Co. so zu nationalen Helden.

Zudem versucht die Botschaft, britisches Kulturgut den deutschen Fans näher zu bringen. So liefert sie germanisierte Texte ihrer Fußballsongklassiker. Anstelle von „You will never walk alone“ heißt es nun „Du wirst niemals allein gehen“.

Überhaupt glänzt das Inselvolk mit ungewöhnlichen Ideen. Sie organisieren am 6. Mai ein Spiel „Imame gegen Priester“ in Wilmersdorf und ein Fußballturnier für Blinde Ende Mai am Potsdamer Platz. Schließlich, so der feste Glaube der Briten, ist jede Fußballwerbung zugleich Reklame für das Vereinigte Königreich. „Großbritannien ist schließlich die Heimat der Fußball“, glaubt man in der Botschaft.

Die Schweizer hingegen sind eher für ein solides Fußballspiel bekannt. Genauso gründlich sind sie mit ihrer Werbekampagne für ihre Team und ihr Land. Angesprochen wird vor allem die Zielgruppe der Zukunft – die Jugendlichen. Alle Berliner Schülerfußballmannschaften können per simplen Antrag im Internet eine – natürlich rot-weiße – Schweizbox bekommen. Darin hat das Bergvölkchen nicht nur T-Shirts mit Slogan und Mützen, sondern auch ein Poster verpackt. Motiv: selbstverständlich die Alpen.

Portugal richtet sich stattdessen an den vermögenden Konsumenten. In den Duty-Free-Läden in den Flughäfen Tegel und Schönefeld werden seit vier Wochen zehntausende Plastiktüten mit Werbemotiven von der Algarve verteilt. Zudem bekommt der gemeine Portugal-Anhänger in den kommenden Monaten mehrfach die Möglichkeit, portugiesische Weine zu probieren.

Zum Glück gibt es auch WM-Gäste, die sich etwas dezenter im Land der Freunde verhalten wollen. Der Club der Polnischen Versager in Mitte plant sogar eine Rebellion gegen den WM-Hype: „Vielleicht stellen wir einen kleinen Schwarzweißfernseher ins Schaufenster – als Zeichen des Protests“, sagt Piotr Mordel, einer der Gründer des Clubs an der Torstraße, der sich längst zur inoffiziellen Botschaft Polens entwickelt hat.

Der offiziellen Landesvertretung hingegen mangelt es zurzeit noch an Ideen. „Kann man überhaupt Fußball und Kultur verbinden?“, fragt Slawomir Tryc, der bei der Botschaft in Berlin für Kultur zuständig ist. Und bedauert dann: „Wir hatten zwar ein paar gute Ideen. Aber der Fußballverband in Warschau hat keine Interesse gezeigt“, sagt Tryc. Die Botschaft plant bisher nur ein paar Volksmusikkonzerte in Pankow.

Dieses Minimalkonzept wird nur noch von Frankreich und Spanien unterboten. „Bisher haben wir nichts organisiert“, sagt Guillermo Escribano von der spanischen Botschaft. Gar nichts? „Gar nichts“, bestätigt er. Auch die französische Vertretung ist noch nicht weiter. Das Lichtspektakel der Holländer sei zwar eine lustige Idee, heißt es dort. Aber die Botschaft am Pariser Platz blau auszuleuchten – so weit wolle man dann doch nicht gehen.

Vielleicht fällt den Franzosen ja noch ein Event für ihre eigenen Fans ein. Auch da könnten sie sich etwas bei den Holländern abgucken. Wer zum Beispiel am 16. Juni die Spannung des Spiels Niederlande gegen die Elfenbeinküste richtig miterleben will, sollte zum Biergarten im Pfefferberg an der Schönhauser Allee gehen, sagt Just Schimmelpenninck. Der Vorsitzende der Berliner Vereinigung der Kultur der Niederlande fordert seine Landsleute auf, dort gemeinsam das Spiel zu sehen. „Bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren haben wir das auch im Pfefferberg gemacht – und es war ein Riesenerfolg“, schwärmt Schimmelpenninck.

Mehr Infos unter: www.dutchembassy.de www.brasilianische-botschaft.de www.britishembassyworldcup.com www.schweiz-kickt.de