Der beste Tag im Leben

WM-Tagebuch (2): Mit Jens Lehmann und seinem Understatement werden wir nie Weltmeister

Wir haben ein saumäßiges Glück im WM-Jahr zweitausendsechs! Erst macht uns die nette Stiftung Warentest auf die maladen Stadien aufmerksam, auf dass wir sie in Windeseile und Beinaheperfektion wieder in Stand bringen. Und dann beruft uns’ Klinsi auch noch den smarten Lehmann ins Tor, wo bis dato der klinsikonzeptinkompatible King Kahn stand. Nur, damit wir Weltmeister werden, weil man weiß ja nie, wann so ein Elfmeter zu halten ist, vielleicht in der 88. Minute, gegen Polen oder Brasilien; und dann ist da ja der Lehmann und hält den und im Stadion hüpfen dann alle auf den Tribünen, die aber nicht einstürzen, weil die Stiftung Warentest hat uns davor ja bewahrt mit ihrem vorauseilenden Prüfwahn. So steht’s geschrieben zwischen den Spalten, ja Seiten, die Jens Lehmann gestern in deutschen Zeitungen, auch dieser, gewidmet wurden.

Das ist natürlich haarsträubender Unsinn. Jetzt, wo Lehmann einmal einen – zugegeben: durchaus entscheidenden – Elfer gehalten hat, wird Kahn ja nicht schlechter. Im Gegenteil: Man kann darauf warten, dass er im nächsten Ligaspiel leicht übermotiviert Stürmer und Kollegen umgrätscht, anbrüllt oder erwürgt, um sicherzustellen, dass die Bayern Meister werden

Und das ist gut so. Denn ein eifernder Kahn hat nach wie vor einen ungleich höheren Unterhaltungswert als ein vom peinlichen Understatement getriebener Lehmann, der seinen gehaltenen Elfer so kommentierte: „Dies ist sicher einer der netteren Momente meines Lebens.“ Bei Kahn wäre das „der beste Tag in meinem Leben“ gewesen. DOS