Leichen ziehen ins Rathaus ein

Im brandenburgischen Guben richtet Gunther von Hagens im aufgegebenen Rathaus eine Werkstatt zur Plastination von Verstorbenen ein. Nur eine knappe Mehrheit der Stadtverordneten stimmte dafür. Hoffnung auf neue Arbeitsplätze für den Ort

Niemand wollte die Immobilie haben außer dem Leichenplastinator

AUS BERLIN MAURITIUS MUCH

Der Weg nach Guben ist frei für Gunther von Hagens und seine Leichenplastinate. Am Mittwochabend beschloss die Stadtverordnetenversammlung den Verkauf des alten Rathauses an den Macher der umstrittenen Ausstellung „Körperwelten“. Dort und auf dem angrenzenden Gelände der ehemaligen Textilfabrik „Gubener Wolle“ will von Hagens eine Werkstatt einrichten, in der er Tiere und Teile des menschlichen Körpers präparieren kann.

Das Projekt hat Guben gespalten. Die einen wollen von Hagens unbedingt nach Guben holen. Die Stadt hat seit der Wende ein Drittel ihrer Bewohner verloren und jeder Fünfte hier ist arbeitslos. „Das ist eine einmalige Chance für die Stadt. Denn wer meint, dass sonst noch andere Großinvestoren nach Guben kommen, der glaubt an den Osterhasen“, sagt Klaus-Dieter Fuhrmann von der CDU. Er ist der Vorsitzende des Stadtparlaments und hat für den Verkauf der Rathausimmobilie gestimmt – wie zwölf andere Abgeordnete. Das reichte für eine knappe Mehrheit von einer einzigen Stimme.

Die anderen, die Von-Hagens-Gegner, sind fast genauso stark – in der Stadtverordnetenversammlung. Sie haben die Aktionsgemeinschaft „Menschenwürde“ gegründet. „Ich finde es nicht gut, wie von Hagens Tote öffentlich zur Schau stellt“, sagt Pfarrer Michael Domke. Ähnlich argumentieren die Vertreter von SPD und Linkspartei.PDS in der Stadtverordnetenversammlung. Sie haben geschlossen gegen die Plastinationswerkstatt gestimmt. Die Fraktionen von CDU, FDP, Deutscher Sozialer Union (DSU), Bündnis für Guben und Guben-Spree-Neiße (Gub-SPN) waren und sind uneins zum Thema von Hagens. Der Künstler, der mit seiner Körperweltenausstellung Millionen Menschen fasziniert und abschreckt zugleich, war von der Entscheidung begeistert. Er freue sich über das Vertrauen und wolle auch seine Gegner von seinem Vorhaben überzeugen, teilte von Hagens mit.

In zwei bis drei Wochen, so schätzt Klaus-Dieter Fuhrmann, wird von Hagens den Kaufvertrag unterzeichnen. Der Bürgermeister zieht im Juli in ein neues Gebäude im Stadtzentrum. Der Umzug dorthin war schon lange geplant. „Das Angebot von Herrn von Hagens ist nicht der Grund, warum wir umziehen“, erklärt Fuhrmann. Allerdings müsse das Gebäude nun nicht leerstehen, wenn von Hagens mit seinen Plastinaten kommt. Und 76.000 Euro springen für die Stadt durch den Verkauf auch noch heraus.

Dass sich außer dem Plastinator niemand für die Immobilie interessiert hat, bestreiten auch die Gegner nicht. Das Aktionsbündnis habe vergebens versucht, andere Unternehmen dort anzusiedeln, erzählt Pfarrer Domke.

An viele neue Arbeitsplätze für Guben glaubt Domke nicht. Zunächst habe von Hagens von 300 Arbeitsplätzen gesprochen, jetzt seien es nur noch 30, sagt Domke. Auf eine Zahl der zusätzlichen Beschäftigten will sich Klaus-Dieter Fuhrmann nicht festlegen lassen. „Wenn auch nur ein neuer Job entsteht, dann ist das für Guben ein Gewinn.“

Gunther von Hagens wirbt derweil in ganz Deutschland um Leichen – und das, obwohl er mit dem Bau seiner Werkstatt in Guben noch nicht einmal begonnen hat. Er verspricht, dass Bestattungsunternehmer die Leichen bundesweit kostenlos abholten. Rolf Lichtner vom Bundesverband Deutscher Bestattungsunternehmen weiß davon nichts: „Von Hagens hätte bei uns zumindest mal anfragen können.“