jürgens chaoswoche
: Rüttgers braucht Drachenblut

Eine der schönsten Legenden über Jürgen Rüttgers geht so: Es war einmal ein wankelmütiger Politiker, ein Zauderer, dem nichts zuzutrauen sei. Dann aber kam der Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen – und Rüttgers badete in „Drachenblut“. Nichts könne dem Pulheimer nun etwas anhaben, dichteten seine Berater. Fast ein Jahr lang hielt die Legende: Rüttgers gewann die Wahl, regierte in NRW, und Kritik prallte fortan an ihm ab. Doch seit dieser Woche ist das Bild der lebenden Teflon-Pfanne aus Pulheim zerstört. Der alte Rüttgers ist wieder da: Nervös, dünnhäutig, unentschlossen.

KOMMENTAR VON KLAUS JANSEN

Zweimal wurde Jürgen Rüttgers in dieser Woche ausgebuht. Am Dienstagabend setzte es Prügel von Gewerkschaftern auf dem CDU-Arbeitnehmerempfang und am Mittwoch reichte ein dröger Redner wie Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer aus, um den Ministerpräsidenten die Contenance verlieren zu lassen. Hinzu kam der Streit mit der FDP im Koalitionsausschuss und die halbherzigen Nachbesserungen am Haushalt, die niemanden so recht freuten.

Nun will Jürgen Rüttgers den Chef seiner Staatskanzlei auswechseln. Spätestens im Sommer wird wohl neues Personal die Spitze der Landesverwaltung zieren. Die Botschaft ist klar: Nicht die Inhalte der Politik sind für die schlechte Stimmung im Land zuständig, sondern die Verkaufe. Rüttgers zeigt damit einen Reflex, den man bisher nur von einer nach jahrelanger Regierung abgewirtschafteten SPD kannte.

Es scheint, als habe Jürgen Rüttgers den Widerstand gegen seine Sparpolitik unterschätzt. Eine schwache und vor allem mit sich selbst beschäftigte Landtagsopposition hat es ihm lange leicht gemacht. Doch jetzt kommt der Protest von der Straße, von Gewerkschaften, Volksinitiativen und Verbänden. In dieser Woche wirkte Rüttgers darauf schlecht vorbereitet. Am kommenden Montag muss er auf der zentralen 1.Mai-Kundgebung des DGB sprechen. Ein bisschen Drachenblut könnte er da gut gebrauchen.