VON MAJA BECKERS (TEXT) UND PIERRO CHIUSSI (FOTOS)

Rock Me Amadeus

MUSIK Alex Eccleston und Rowan Hellier setzen alles daran, die Oper zu entstauben

Eine Frau im Bademantel und mit zerzaustem Haar quetscht sich durchs Publikum. Sie singt leise vor sich hin, fängt sich irritierte Blicke ein. Erst als sie auf den „Chor der Verrückten“ zugeht, der vorne auftritt, weicht die Skepsis in den Mienen der Zuschauer. Die Halle des Stattbads Wedding ist ausverkauft, etwa 900 Leute drängen sich im leeren Schwimmbecken und drumherum. Die Aufführung ist Teil der Veranstaltungsreihe Kiez Oper, die sich – etwas vollmundig – auf die Fahnen geschrieben hat, die Oper ins 21. Jahrhundert zu überführen.

Sie spielen dort, wo normalerweise gefeiert wird, im Technoclub Zur wilden Renate, dem Weddinger Stattbad oder dem Open-Air-Club Else. Durch den ungewöhnlichen Ort, moderne Geschichten und die Interaktion mit dem Publikum bringen sie die Oper einem eigentlich nicht opernaffinen Publikum nahe.

Hinter der Kiez Oper stecken Alex Eccleston, Illustrator aus England, und Rowan Hellier, Mezzosopranistin aus Schottland. Vor zwei Jahren trafen sie sich in einer Bar, Hellier hatte gerade ein Engagement an der Staatsoper. Sie unterhielten sich darüber, dass so wenig junge Leute in die Oper gingen und die Oper doch nie so elitär gedacht war. „Sie war das Kino ihrer Zeit“, sagt Eccleston, „billig und unterhaltsam. Heute ist sie abgehoben und schwer zugänglich.“

Anders und verrückt

Um das zu ändern, stellten sie mithilfe von Helliers Kontakten ein hochkarätiges Team zusammen und führten in der Wilden Renate die englische Barockoper „Dido and Aeneas“ auf. Die Hauptrollen übernahmen Sänger der Berliner Staatsoper, Regie führte der in Großbritannien für Experimente berüchtigte Regisseur Andrew Staples. „Es ist uns wichtig, hohe Qualität zu bieten“ sagt Eccleston, „es soll anders und verrückt sein, aber nie auf Kosten der Musikqualität.“

Die Stücke behalten Event-Charakter, sie werden meist nur zweimal aufgeführt. Dann machen Eccleston und Hellier sich ans nächste Werk, mit anderen Künstlern und anderem Konzept. Im Stattbad Wedding etwa führen sie „Insanity“ auf, das Libretto stammt von ihnen selbst, die Musik von Vivaldi, Bach und anderen. Danach gibt es wieder Elektro. Eine Party im Anschluss gehört immer dazu.

Zum Konzept gehört auch ein niedriger Preis, meist zwischen 10 und 12 Euro. Aber „wir haben keine Mission“, sagt Eccleston, „wir wollen einfach eine gute Show machen. Die Oper ist dafür perfekt geeignet.“

www.kiezoper.com