Indien auf globaler Einkaufstour

Indische Konzerne investieren Milliarden Dollar in ausländische Unternehmen. Auch in Deutschland nutzen Inder ihren Wirtschaftsboom und kaufen Firmen auf. Globale Strategie, um am gewinnträchtigen europäischen Markt teilzuhaben

AUS DELHI UND BERLINSVEN HANSEN

Immer mehr indische Konzerne nutzen den Kauf ausländischer Firmen als Türöffner für den europäischen Markt. Spektakuläre Übernahmeversuche wie die des größten europäischen Stahlkonzerns Arcelor durch den indischen Stahlbaron Lakshmi Mittal zeigen: westliche Unternehmen müssen zunehmend mit indischen Aufkäufen in ihren Ländern rechnen. Auch auf der gestern zu Ende gegangenen Hannovermesse präsentierte sich Indien als boomender Investitionsstandort mit globalen Ambitionen. Rückenwind haben die Inder durch volle Kassen aufgrund des heimischen Wirtschaftswachstums, der Hausse an Bombays Börse, der stabilen indischen Währung sowie weltweit niedriger Zinsen.

Allein im vergangenen Jahr haben Inder für 2,5 bis 3 Milliarden Dollar weltweit Firmen aufgekauft. In den letzten zwei Jahren verdreifachten sich die Übernahmen durch indische Unternehmen. 2005 wurden 192 Firmen aufgekauft. Etwa 30 davon wurden allein in Deutschland von Indern übernommen. Insgesamt gibt es nach Schätzung der deutsch-indischen Handelskammer bereits 120 indische Unternehmen in Deutschland. Schwerpunkte sind die Pharmaindustrie, der Maschinenbau, Automobilzulieferer, die Textilbranche und Softwarefirmen.

Indiens Pharmakonzerne suchen eine Basis in Europa. Deutschland ist als größter europäischer Markt und zweitgrößter Markt der Welt für nachgeahmte Medikamente besonders interessant. Etwa 1,3 Milliarden Dollar haben indische Konzerne bislang in deutsche Pharmaunternehmen investiert. Die Inder spekulieren auch auf gute Geschäfte, wenn in den nächsten drei Jahren bei 200 Medikamenten der Patentschutz ausläuft. Die jüngste Bieterschlacht lieferten sich die zwei größten indischen Pharmafirmen um den Generikahersteller Betapharm aus Augsburg. Direkt nach Übernahme durch den siegreichen Pharmakonzern Dr. Reddy’s kündigte Betapharm Neueinstellungen und Expansionspläne an. Auch die indische Nummer eins, Ranbaxy aus Bombay, kaufte seitdem gleich vier europäische Pharmafirmen auf. Ranbaxy hatte zuvor schon die Generikasparten von GlaxoSmithKline und und Aventis übernommen.

Auch indische Chemiefirmen sind in Deutschland aktiv. Der größte indische Konzern Reliance wurde durch die Übernahme der Hoechst-Tochter Trevira 2004 zum weltgrößten Polyesterhersteller. Reliance-Vorstandsmitglied und Europarepräsentant Mohan Murti glaubt, das beide Seiten gewinnen, wenn indische Firmen in deutsche Unternehmen investieren. „Inder sind gnadenlos optimistisch – sie können in dem zutiefst pessimistischen Deutschland viel erreichen“, sagte er der taz. Deutsche Unternehmen profitierten, weil der indische Führungsstil den Mitarbeitern mehr Entscheidungsfreiheit und Verantwortung übertrage. Indischen Unternehmen würde auf der anderen Seite die Marktnähe deutscher Firmen nützen.

„Ohne deutschsprachige Ansprechpartner würden sich Mittelständler kaum auf Outsourcing in Indien einlassen“, sagt Arvind Thakur, Geschäftsführer der indischen Softwarefirma NIIT-Technologies mit 3.400 Mitarbeitern. Deutsche Kunden würden mit Menschen in ihrer Sprache und aus ihrer Kultur arbeiten wollen. „Das kann unsere deutsche Firma, wo nur Deutsche arbeiten, besser als wir in Indien. Umgekehrt entwickeln wir in Indien viel preiswerter Software.“

Seit 2002 ist der Konzern durch die Übernahme der deutschen AD Solutions auf dem deutschsprachigen Markt präsent und entwickelt Software in indisch-deutscher Teamarbeit.