Antraben zum Gebet

Die Hanse-Pferd und der Pastor Helge Adolphsen feierten am Sonntag eine Novität im Programm der Hamburger Pferdemesse: einen Pferdegottesdienst. Zu spüren war ein bisschen Liebe zum Allmächtigen und viel Liebe zu den Huftieren. Die durften beim Gottesdienst dabei sein

von Mathias Becker

Der erdige Geruch des Reithallenbodens erfüllt Show-Halle A3. Gelbes Rampenlicht nimmt ein Kruzifix aus zwei Birkenstämmen und eine blumenbehangene Kutsche ins Visier. Eine spontane Gemeinde aus rund 200 Messebesuchern hat schon auf den Rängen in der kalten Halle Platz genommen. Da ertönt die Begrüßungsfanfare der Jagdhornbläser „Fürst Bismarck“: Ein Vorhang am Ende der Manege öffnet sich, und gibt den Weg frei für zwei Dutzend Pferde nebst ihren Reitern.

Zu einem „Pferdegottesdienst“ hat die Hamburg Messe an diesem Sonntag im Rahmen der Huftier- und Huftierzubehörausstellung „Hansepferd“ geladen. Und kein geringerer als der ehemalige Pastor der St. Michaeliskirche, Helge Adolphsen, hält die Messe für das liebe Vieh. Es ist seine Erste.

Mit dieser neuen Erfahrung ist er nicht ganz allein an diesem Tag: Auch Reiter und Pferde waren Gott gemeinsam noch nie so nah und drehen fromm ihre Runden hinter dem Birkenkreuz. Das Publikum hingegen scheint von der ungewöhnlichen Inszenierung leicht überfordert und verhält sich eher fluktuativ.

Doch schon die begrüßenden Worte von Eberhard Fellmer, dem Ehrenpräsidenten des Landesverbandes der Reitvereine, klären auch die auf, denen die Verbindung von Gott und Pferd nicht intuitiv einleuchtet: „Wie leer wäre die Welt, wenn Gott das Pferd vergessen hätte“, gibt der Ehrenpräsident des Landesverbandes der Reitvereine zu bedenken, während hinter ihm dumpf die Huftritte ertönen.

Langsam ist der Sitz auch warm gesessen, und ein wohliges Gefühl macht sich breit: Schon toll, so ein Pferd. Genau da legt der ehemalige Hauptpastor Adolphsen nach: „Alles was Odem hat, lobe den Herrn“, zitiert er Psalm 150. Auf den Atem kommt es an. Gott haucht ihn den Menschen ein, ebenso wie den Tieren. Auch Pferde seien in diesem Sinne religiös – in ihrer Lebensfreude zum Beispiel.

Des Pastors nächster Zeuge für die Gottesfurcht der Stuten und Hengste tritt in Cowboystiefeln vor das Birkenkreuz: Westernreiter Peter Kreinberg gibt rührselig zum Besten, was unvorsichtige Kinogänger seit dem „Pferdeflüsterer“ wissen: „Pferde vergeben alles, aber sie vergessen nichts.“ Früher habe man Kriege mit ihnen geführt, Kontinente auf ihrem Rücken erobert oder Äcker mit ihrer Hilfe aufgerissen. Heute bezeichne man sie zwar als „Sportpartner“, doch die Blutspur reißt nicht ab: Gierig nach Medaillen beuteten Turnierreiter ihre Tiere brutal aus.

Pferde sind einfach die besseren Menschen, das bestätigen auch Hinrich Romeike nebst Tochter Cerrien, die Adolphsen zur „Predigt im Trilog“ neben das Kreuz in die antike Kutsche lädt. Während die Pferde hinter ihnen strammstehen, lüftet der Vielseitigkeitsreiter und Olympiasieger von 2004 Romeike das Geheimnis des Erfolges: „Vertrauen und Motivation“ führten Pferd und Reiter stets weiter als „Zwang“, sinniert der Olympionike in seiner Kanzel auf Rädern, als hätte die Kritik von Westernreiter Kreinberg nicht auch in seine Richtung gezielt. „Die Seele des Pferdes kann man in seinen Augen erkennen“, verrät der Pferdekenner. Zentral seien die Charakterzüge Sanftmut und Freundlichkeit. Schlechte Eigenschaften träten erst durch schlechte Erfahrungen zutage. „Wie beim Menschen“, schlägt Optimist Adolphsen den Bogen.

Die andächtigen Worte schweben noch im Raum, als der Posaunenchor St. Michaelis den Gassenhauer „Danke für diesen guten Morgen…“ anstimmt. Mittlerweile hat sich die Hansepferd-Besuchergemeinde an das gefühlige Spektakel gewöhnt. Zwar verweigern noch immer einige Ungläubige auf den Rängen den feierlichen Schulterschluss zwischen Mensch und Tier – und verlassen einfach ihre Plätze. Die meisten aber lauschen andächtig den Fürbitten, in denen Adolphsen und seine Gottesdienstgäste eine artgerechte Haltung der Reittiere anmahnen. Reiter und Pferde hinter dem archaischen Baum-Kreuz haben sich jetzt in einer Reihe aufgestellt, und lauschen unter vereinzeltem Wiehern dem musikalischen Ausklang der Jagdhornbläser und des Posaunenchors. Als „Zeichen der Lebensfreude“ sei der pferdetypische Laut während des Gottesdienstes übrigens völlig unbedenklich, so Adolphsen.

Am Rand der Manege keift eine Ordnerin streng in ihr Headset, dicke Messebauerhände schieben die Kutsche zum Ausgang, während andere dem Birkenkreuz mit Akkuschraubern zu Leibe rücken. Der Gottesdienst ist vorbei, in Showhalle A3 geht man fast übergangslos zum nächsten Programmpunkt über: der Ausbildung eines Dressurpferdes. Mit Sporen. Und Gerte. Kein Tierfreund kommt den Pferden zur Hilfe, stattdessen folgt eine Verkaufspferdeschau. Die Kreatur wir zur Ware. Oh Gott!

Hauptpastor Adolphsen ist da längst gegangen.