Olympische Rumpftruppe

EISHOCKEY Kanada will mit einem radikal verjüngten Team bei der Weltmeisterschaft erfolgreich sein

KÖLN taz | Den 28. Februar 2010 werden viele Bewohner der kanadischen Olympiastadt Vancouver nur in verschwommener Erinnerung haben. Sie befanden sich im kollektiven Rausch. Ihr junger Starstürmer Sidney Crosby hatte an diesem schönen Tag in der Overtime des olympischen Eishockey-Finales gegen die USA den 3:2-Siegtreffer erzielt – und die kanadischen Hockey-Fans in einen beispiellosen Glückszustand versetzt. Die Eishockey-WM, die heute in Deutschland mit dem Spiel der Deutschen gegen die USA (20.15 Uhr, Sport1) eröffnet wird, ist aus kanadischer Sicht dagegen eher ein Randphänomen.

Die Fans konzentrieren sich zurzeit auf vor allem die Playoffs der NHL. Dennoch wird in Kanada wahrgenommen, wie sich das WM-Team schlagen wird. Die kanadische WM-Mannschaft hat zwar nichts mit der Olympiaauswahl zu tun – mit Corey Perry steht nur ein Goldmedaillengewinner von Vancouver im Kader, doch da Kanada über eine enorme Zahl an starken Profis verfügt, sind die Nordamerikaner neben Russland größter Favorit auf den WM-Sieg.

Es geht fürs Team Kanada jedoch nicht nur um den Titel, sondern auch darum, Talente voranzubringen. „Unsere Mannschaft ist jung und ambitioniert, die WM ist eine harte Probe“, sagt Kanadas Teammanager Mark Messier, dessen Mannschaft sich in der Gruppenphase in Mannheim mit Italien, Lettland und der Schweiz auseinandersetzen muss. Bei der WM, die im Olympiajahr 2006 in Lettland stattfand, ging der Stern des damals 18-jährigen Sidney Crosby auf, und auch diesmal stehen hochbegabte Jünglinge im Kader, allen voran der 20-Jährige Steven Stamkos aus Tampa Bay, der in der NHL-Saison auf 51 Treffer kam und damit zusammen mit Crosby Torschützenkönig war.

„Wir zählen auf ihn“, sagt Messier über den Stürmer, der im vergangenen Jahr in der Schweiz sein WM-Debüt gab. Seine ersten Spiele in Europa seien für ihn eine sehr aufregende Erfahrung gewesen, berichtet Stamkos, und zwar in erster Linie wegen der europäischen Fans, die ihn schwer beeindruckt haben. „Die Fans in Europa sind verrückt, es ist wie bei einem Fußballspiel. Sie hüpfen auf den Tribünen und pfeifen. Wahnsinn.“ Außer Stamkos spielte aus dem aktuellen WM-Team nur Torhüter Chris Mason für Kanada. Ein Debütant, dem viel zugetraut wird, ist der 19-jährige John Tavares von den New York Islanders; der Mittelstürmer wurde 2009 im NHL-Draft in der ersten Runde an erster Stelle gezogen. „Sie haben die gleiche Qualität wie Sidney Crosby“, glaubt der deutsche Bundestrainer Uwe Krupp.

Im vergangenen Jahr scheiterten die Kanadier im WM-Finale an Russland, die Partie endete 1:2. „Diesmal wollen wir den Titel“, sagt Stamkos. Den wollen allerdings auch die Russen, die mit ihrem Superstürmer Alexander Owetschkin antreten, der mit Washington in den Playoffs früh ausgeschieden ist. Owetschkin hat mit dem Team Kanada noch eine Rechnung offen. Die 3:7-Niederlage, die die Sbornaja im olympischen Viertelfinale gegen Kanada erlitt, war die größte russische Eishockey-Schmach der vergangenen Jahre.

Während ein WM-Sieg in Russland sicher einige Begeisterung auslösen würde, nähmen die Kanadier einen Triumph ihres Teams in Deutschland eher mit stiller Genugtuung zur Kenntnis. Ohne Autokorsos und Partys auf den Straßen. CHRISTIANE MITATSELIS