Formalien abgehakt, Wahrheit auch

HONDURAS Eine Kommission soll die Umstände des Militärputschs vom vergangenen Jahr aufklären – und sie dann geheim halten. Honduras’ Opposition will eine eigene Wahrheitskommission einsetzen

VON CECIBEL ROMERO

„Wir werden uns der Wahrheit stellen, so unangenehm das auch sein mag“, versprach der honduranische Präsident Porfirio Lobo, als er am Dienstag eine Wahrheitskommission vereidigte. Sie soll die Umstände aufklären, unter denen am 28. Juni vergangenen Jahres der nach links tendierende Präsident Manuel Zelaya vom Militär gestürzt wurde. Was Lobo nicht erwähnte: Schon Anfang April hatte er ein Dekret erlassen, nach dem der Abschlussbericht einen „vertraulichen Teil“ enthalten wird, der zehn Jahre lang verschlossen bleiben wird und dann in der Nationalbibliothek verschwinden soll.

Rein formal erfüllt Lobo mit der Einrichtung der Kommission einen von acht Punkten eines Abkommens, das Costa Ricas Präsident Arias im Juli 2009 zwischen dem gestürzten Zelaya und den Putschisten ausgehandelt hatte. Doch das ist längst hinfällig. Es sah unter anderem die Möglichkeit einer Rückkehr Zelayas ins Amt vor. Stattdessen wurde Lobo in einer von den Militärs kontrollierten Wahl zum Präsidenten gewählt, Zelaya ging in die Dominikanische Republik ins Exil.

Auch sonst ging Lobo nicht nach dem Buchstaben des Arias-Abkommens vor: Die Opposition, die bei der Wahrheitskommission eigentlich dabei sein sollte, bleibt außen vor. Vorsitzender ist Eduardo Stein, von 2004 bis 2008 Vizepräsident in der Rechtsregierung Guatemalas. „Wir werden niemanden ausschließen und alle anhören“, sagte Stein am Dienstag. Draußen vor dem Präsidentenpalast schoben derweil Polizisten protestierende Gewerkschafter und Oppositionelle beiseite. Sie kündigten an, am Jahrestag des Putsches ihre eigene, prominenter besetzte Wahrheitskommission vorzustellen. Unter anderem sollen die NobelpreisträgerInnen Rigoberta Menchú aus Guatemala und Adolfo Pérez Esquivel aus Argentinien dazugehören.

Drei Monate nach Lobos Amtsantritt hat sich die Menschenrechtslage in Honduras nicht verbessert. Innerhalb Lateinamerikas ist das Land weithin isoliert. US-Präsident Barack Obama bemüht sich zwar heftig, Lobo international salonfähig zu machen, und hat die Präsidenten El Salvadors und Guatemalas als Mitstreiter verpflichtet. Die in der Südamerikanischen Union zusammengeschlossenen Länder aber wollen Lobo nicht anerkennen. Einzig die rechts regierten Kolumbien und Peru scheren aus. Die anderen beschlossen Anfang dieser Woche, sie würden den für den 18. Mai in Madrid vorgesehenen Gipfel zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika boykottieren, wenn Lobo dazu eingeladen werde.

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