Schönes neues Land

VIELFALT Die Realität zieht in den Bundestag ein. Mehr Abgeordnete als je zuvor sind Frauen oder haben Migrationshintergrund

Die FDP hätte den Frauenanteil stark nach unten gedrückt. Nur 70 von 363 Kandidaten waren Frauen

VON DANIEL BAX
UND SIMONE SCHMOLLACK

BERLIN taz | Wenn der neue Bundestag heute zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt, werden so viele Frauen und Abgeordnete mit Zuwanderungsgeschichte dabei sein wie nie zuvor. Von den 630 Abgeordneten sind 229 Frauen, das sind 36 Prozent (siehe Grafik). 37 Parlamentarier besitzen außerdem einen Migrationshintergrund – das heißt, sie selbst oder zumindest ein Elternteil ist nicht in Deutschland geboren.

Dass 5,9 Prozent aller Abgeordneten im neuen Bundestag einen bunten Stammbaum haben, spiegelt die zunehmende Internationalisierung der Bundesrepublik wider. Der Bundestag ist aber immer noch weit davon entfernt, ein Abbild der Gesellschaft zu sein, denn in der Bevölkerung ist der Anteil von Menschen, die aus Einwandererfamilien stammen, mit 19 Prozent gut dreimal so hoch. Selbst wenn man davon all jene Bürger abzieht, die keinen deutschen Pass besitzen, also nicht wahlberechtigt sind, liegt der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund deutlich unter dem Durchschnitt in der Bevölkerung. Auffällig ist, dass in allen Parteien der Frauenanteil gestiegen ist. Wobei die Union mit einem Sprung von 19 auf fast 25 Prozent den größten Zuwachs verzeichnet. Die SPD schafft es von 39 auf 42 Prozent und erfüllt damit zum ersten Mal ihre seit 1998 geltende 40-Prozent-Quote. Die Grünen erreichen knapp 56 Prozent, die Linkspartei schafft es etwas darüber.

Dass der 18. Bundestag generell weiblicher wird, hat das Parlament nicht nur den vertretenen Parteien zu verdanken, sondern auch einer, die nicht mehr dabei ist: der FDP. Die Liberalen hätten den „Frauenschlüssel“ nämlich stark nach unten gedrückt. Von ihren insgesamt 363 Kandidaten waren nur 70 Frauen. Die FDP hatte vor allem junge Männer auf die aussichtsreichen Listenplätzen gesetzt.

Die SPD ist stolz darauf, dass 13 Frauen und Männer in ihrer neu gewählten SPD-Bundestagsfraktion einen Migrationshintergrund besitzen – mehr als in jeder anderen Fraktion: Außer für Karamba Diaby aus Sachsen-Anhalt, Sebastian Edathy aus Niedersachsen und Cansel Kiziltepe aus Berlin gilt das auch für Niels Annen für Hamburg und Katarina Barley für Rheinland-Pfalz, denen man das nicht schon am Namen ansieht. In der letzten Legislaturperiode waren es nur vier gewesen, ihr Anteil hat sich also mehr als verdreifacht. Den größten Sprung aber hat auch hier die Union gemacht: von eins auf acht.

Die hohe Zahl hat auch mit der Größe der Fraktionen zu tun. Denn gemessen an ihren Mandaten im Parlament, haben Grüne (11,1 Prozent) und Linke (12,5 Prozent) den höchsten Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund. Weil beide Parteien aber Mandate eingebüßt haben, ist ihre Zahl jedoch kaum gestiegen – bei der Linken von sechs auf acht, bei den Grünen von sechs auf sieben.

Mehr als verdoppelt hat sich der Anteil der türkeistämmigen Abgeordneten, ihre Zahl ist von fünf auf elf gestiegen. Sie bilden damit, wie in der Bevölkerung, die größte Gruppe jenseits des Blocks der EU-Bürger. Rund ein Drittel der Abgeordneten stammt aus Ländern der Europäischen Union, besitzt also meist die doppelte Staatsbürgerschaft.