wm-ökonomie
: Kein Fußballwirtschaftswunder

Vor hundert Jahren beschimpften altdeutsche Turnväter den aufkommenden Fußball als Krankheit und Fußlümmelei. Heute passt das Krankheitsbild wieder: Wie ein Virus hat die Fifa-Fußball-Weltmeisterschaft 2006 das Land infiziert. Kein Schaufenster, keine Illustriertendoppelseite kommt noch ohne Fußball aus. Dabei wird die ökonomische Turnierwirkung eher gering ausfallen. Sprach die Bundesagentur für Arbeit vor einem Jahr noch von bundesweit 50.000 Jobs durch die WM, davon 20.000 Dauerarbeitsplätzen, liegen jetzt ernüchternde Zahlen vor: Einen Monat vor dem Anpfiff zählen die Arbeitsagenten in Nordrhein-Westfalen gerade mal 2.400 Aushilfsjobs. Dauerjobs: Fehlanzeige. Weil auch die Zahlen der Fußballferiengäste hinter den Erwartungen zurück bleiben dürften, wird die WM-Aufschwungblase platzen. Das hochgejazzte Sportereignis wird wohl nicht nur sportlich enttäuschen.

KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN

Dabei ist das ausbleibende Fußballwirtschaftswunder keine Überraschung, sondern nur Folge des Nischencharakters der kickenden Ökonomie. Betrug das bundesdeutsche Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr etwa zweieinhalb Billionen Euro, ergatterte die heimische Balltreterzunft von diesem mächtigen Kuchen gerade mal ein Tausendstel.

Den Fußballmächtigen spielt die maßlose Überschätzung des Fußballs und seiner Unternehmen natürlich in die Karten. Wie sonst hätten sich die Funktionäre der Fifa ein Land samt Umgangswortschatz urheberrechtlich unter den Nagel reißen können? Aber auch der heimische Profifußballkomplex kann sich auf die Pseudorelevanz seines Sports verlassen. Oder gibt es eine andere Erklärung dafür, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit dreistelligen Millionensummen den Spielbetrieb der Privatwirtschaft Fußballbundesliga mitfinanziert?