Minimalgebot genügt für Libra-Ölfeld

ERDÖL Brasiliens Regierung versteigert die Offshore-Reserven des Landes an ein größtenteils privates Konsortium. Die seit Tagen streikenden Ölarbeiter warnen vor den sozialen und ökologischen Folgen

Die Proteste gegen die Auktion gerieten zu einer Straßenschlacht

RIO DE JANEIRO taz | Die Tiefsee-Erdölreserven vor der brasilianischen Küste werden Shell, Total sowie die zwei chinesischen Staatskonzerne CNPC und CNOOC gemeinsam mit der halbstaatlichen Petrobras ausbeuten. Das Konsortium gewann am Montag die mit Spannung erwartete Auktion der Förderrechte. Erstmals hatte Brasilien ein Ölfeld im sogenannten Pré-Sal zur Versteigerung ausgeschrieben. „Libra“ liegt verborgen hinter einer dicken Salzschicht rund 6.000 Meter unter dem Meeresspiegel und knapp 200 Kilometer vor Rio de Janeiro.

Wenn das Libra-Vorkommen ausgebeutet werden kann, bedeutet das eine enorme Erhöhung der Erdölreserven Brasiliens, das bereits jetzt nach Venezuela der zweitgrößte Ölproduzent Lateinamerikas ist. Läuft alles nach Plan, werden bald weitere Pré-Sal-Reserven unter den Hammer kommen. Allerdings ist die Förderung eine technische Herausforderung, verbunden mit großen ökologischen Risiken. Noch ist nicht geklärt, ob die vermuteten fast 12 Millionen Barrel Rohöl je ans Tageslicht geholt werden können. Allein um die Produktion aufnehmen zu können, müssen gigantische Summen investiert werden.

Dass letztlich nur ein Konsortium bei der Auktion in Rio de Janeiro mitmachte und für sein Mindestgebot den Zuschlag bekam, bremst den Enthusiasmus der Regierung nicht. Die erfolgreiche Versteigerung sei „ein Meilenstein in der Geschichte“, so Präsidentin Dilma Rousseff. Die erwarteten Staatseinnahmen brächten „eine Revolution“ und mehr Wohlstand.

Laut Energieminister Edison Lobão wird Brasilien durch Förderabgaben, Steuern und den Einbehalt einer festen Quote des geförderten Öls mehr als 70 Prozent des Gesamtgewinns aus Libra für sich behalten. Zudem soll das Konsortium einen Bonus von umgerechnet 5 Millionen Euro für den 35 Jahre laufenden Fördervertrag zahlen.

Grundlage dieser Berechnung sind neue Richtlinien für die Versteigerung von Förderlizenzen, die dem Staat mehr Teilhabe am Geschäft und der Petrobras eine Mindestbeteiligung von 30 Prozent zusichert. Insgesamt erhofft sich Brasilien durch die Ausbeutung von Libra mehr als 350 Milliarden US-Dollar Mehreinnahmen.

Die Gewerkschaften der Ölarbeiter und Kritiker aus Reihen der Kampagne „Das Öl gehört uns“ halten das für Schönfärberei. Für sie ist die Versteigerung eine Privatisierung der wichtigsten brasilianischen Bodenschätze, deren Ausbeutung „nicht nach Gewinnmaßstäben, sondern entsprechend ökologischer Vernunft und sozialen Bedürfnissen vonstattengehen“ sollte, wie Sindipetro-Direktor Edison Munhoz der taz sagte. Statt die Förderung mit ausländischem Kapital schnell voranzutreiben, sollten die Öleinnahmen zu 100 Prozent in Brasilien bleiben und langfristig essenzielle Bereiche wie Gesundheit und Bildung finanzieren.

Bereits seit dem Donnerstag vergangener Woche streiken Ölarbeiter gegen die Versteigerung. Am Montag begannen sie, landesweit Raffinerien und Häfen zu blockieren. Die Protestveranstaltung vor dem Auktionsort geriet zu einer Straßenschlacht mit Polizisten und Soldaten, die das Gelände im Küstenstadtteil Barra da Tijuca weiträumig abschirmten. Zahlreiche Demonstranten wurden von Gummigeschossen verletzt.

Die Strandbesucher, die wenige Meter weiter in der Sonne lagen, ließen sich allerdings kaum aus der Ruhe bringen. ANDREAS BEHN