Kontakte und Gefälligkeiten

NETWORKING Wer Mitarbeiter, Geschäftspartner oder Bekannte eines potenziellen Arbeitgebers kennt und von ihnen weiterempfohlen wird, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil bei der Suche nach einem neuen Job

Es wird empfohlen, die Kantinenpartner mindestens einmal in der Woche zu wechseln

VON OLE SCHULZ

Jennifer Ross ist begeistert: „Bei der ‚Networking Night‘ führen wir unterschiedliche Leute aus der Kommunikationsbranche zusammen“, sagt die 33-Jährige. Bei den Gesprächen würde man sich näher kennen lernen. „Manchmal bekommt man sogar ein neues Jobangebot.“

Seit 2005 treffen sich immer am letzten Donnerstag eines Monats „Young Professionals“ aus der Kommunikationsbranche zur Düsseldorfer „Networking Night“. In entspannter After-work-Atmosphäre an der „Kö“, wo die großen PR-Agenturen ihren Sitz haben, soll dabei der Austausch zwischen Public Relations, Werbung und Direktmarketing vorangetrieben werden.

Ross gehört seit drei Jahren zum ehrenamtlichen Organisationsteam der Düsseldorfer „Networking Night“. „Manchmal veranstalten wir auch Vortragsreihen oder besichtigen Unternehmen“, sagt Ross. Mittlerweile gibt es auch in Frankfurt am Main und Leipzig Ableger der Düsseldorfer „Networking Night“.

Diese monatlichen Treffen sind ein Beispiel dafür, dass Netzwerke im Beruf an Bedeutung gewonnen haben – bis hin zu neuen Portalen im Internet, wie Xing und LinkedIn, die in erster Linie der beruflichen Vernetzung dienen.

Auch laut einer Untersuchung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom Vorjahr findet, wer gut vernetzt ist, schneller einen neuen Job. Knapp 30 Prozent aller offenen Stellen wurden nach der IAB-Umfrage 2008 über persönliche Kontakte besetzt. Demnach fand nur gut jeder fünfte Arbeitslose seinen neuen Arbeitsplatz durch die Arbeitsagentur, während fast jeder Dritte dank privater Kontakte zur neuen Stelle kam. Wer Mitarbeiter, Geschäftspartner oder Bekannte des potenziellen Arbeitgebers kennt und von ihnen weiterempfohlen wird, hat also einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Wie man nun aber ein gutes Netzwerk schafft, darüber gibt es inzwischen zahlreiche Ratgeber und Online-Leitfäden. Unter anderem wird empfohlen, sich ein Netzwerkbuch anzulegen, in dem man alle persönlichen Kontakte eintragen solle, die im beruflichen Kontext bedeutsam erscheinen. Anderswo wird geraten, nicht immer mit den gleichen Kollegen zum Mittagessen zu gehen, sondern die Kantinenpartner mindestens einmal in der Woche zu wechseln. Bedeutet das, dass man all seine beruflichen Kontakte einem nüchternen Zweckkalkül unterwerfen solle? Der Soziologe Martin Diewald widerspricht vehement: „Ein solches ökonomisches Kosten-Nutzen-Kalkül ist eine schlechte Basis für soziale Beziehungen.“

Gerade auch in der modernen Berufswelt, in der fast alle Arbeitsvorgänge auf Kooperation beruhten, seien verlässliche Beziehungen zu den Kollegen von großer Bedeutung, sagt Diewald, der als Professor an der Uni Bielefeld seit Jahren die Rolle sozialer Netzwerke in Beruf und Gesellschaft erforscht. „Am Ende ist entscheidend, wie die anderen uns wahrnehmen. Und die meisten Menschen merken, wenn man selber immer nur an seinen eigenen Vorteil denkt.“

Dass „Networking“ häufig den Geruch von Vetternwirtschaft habe, sei hingegen nicht aus der Luft gegriffen, sagt Diewald. „Netzwerke spielen eine Rolle bei sozialen Schließungsprozessen.“ Was zum Beispiel mit Gefälligkeiten zwischen Personen in einflussreichen Positionen beginne, setze sich mit der Übernahme der Firmenleitung durch den Familiennachwuchs fort.

Dennoch sind soziale Netzwerke laut Diewald heutzutage enorm wichtig – vor allem in Krisensituationen wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit. „Dann braucht man besonders viel persönliche Wertschätzung und Unterstützung.“ Diewald nennt Netzwerke deshalb eine „Alternative zu viel Geld“.

Die Bedeutung der neuen sozialen Netzwerke im Internet sollte dagegen nicht überschätzt werden, meint Diewald. „Sie eignen sich besonders zur Pflege bestehender oder abgebrochener Kontakte bei räumlicher Distanz.“ Zu tragfähigen Beziehungen zähle aber Vertrauen, das man nur durch direkten persönlichen Kontakt aufbauen könne.

Ein Allheilmittel für die berufliche Karriere sind allerdings auch gut gepflegte Netzwerke nicht. Selbst die umtriebige „Networkerin“ Jennifer Ross muss einräumen, dass bei ihr gerade „ein bisschen Flaute“ herrsche: Derzeit leistet Ross Zeitarbeit und bewirbt sich um eine Anstellung im PR-Bereich.