Chemie gefährdet Spermien

Männersamen leidet zunehmend unter Schadstoffen. Greenpeace fordert EU-Gesetz

BERLIN taz ■ Für den Geburtenrückgang in Deutschland sind auch Chemikalien in Alltagsprodukten verantwortlich. Eine gestern veröffentlichte Greenpeace-Studie zeigt, dass Schadstoffe in Kleidungsstücken, Lebensmittelverpackungen und Kosmetikartikeln die menschliche Fortpflanzungsfähigkeit gefährden.

Die Unfruchtbarkeit von Paaren ist in den Industrieländern seit Anfang der Sechzigerjahre von 7 Prozent auf bis zu 20 Prozent gestiegen. Hodenkrebs wird immer häufiger diagnostiziert und die Qualität der Samenflüssigkeit hat in den letzten 50 Jahren rapide abgenommen – 20 Prozent der jungen Männer haben eine zu niedrige Spermiendichte. Ursache dafür sei die steigende Menge chemischer Fremdstoffe im menschlichen Körper. „Weltweit werden jedes Jahr weit über 100.000 Chemikalien produziert. Viele davon wurden nie ausreichend getestet, geschweige denn ihre Wechselwirkungen untereinander“, beklagt Greenpeace-Sprecherin Ulrike Kallee. Der direkte Zusammenhang zwischen Samenqualität und Chemie sei oft schwierig nachzuweisen. In der Studie würde aber gezeigt, dass Phthalate (Weichmacher für Kunststoffe) in der Muttermilch schon bei drei Monate alten Jungen die Reproduktionshormone verändern.

Die Herstellung und Verwendung von Chemikalien soll ab Oktober 2006 im Rahmen der europäische Chemikalienverordnung „Reach“ (Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien) neu geregelt werden. Die BASF und andere große Chemieunternehmen wehren sich jedoch gegen Verpflichtungen, kostengünstige Stoffe durch weniger gefährliche Alternativen zu ersetzen. Greenpeace fordert die Bundesregierung daher auf, sich bei den im Sommer anstehenden Verhandlungen in Brüssel entschieden gegen eine Aufweichung der Verordnung einzusetzen: „Die Regierung beklagt, dass in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden. Aber sie unternimmt viel zu wenig gegen die chemischen Gefahren für die Fortpflanzung und weicht vor der Industrie zurück.“

BENJAMIN WÜNSCH

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