RALPH BOLLMANN POLITIK VON OBEN
: Die zwei Kulturen

Meine angegrünten Freunde finden Geld nicht so wichtig, die Leser der „Bild“-Zeitung wollen es den Griechen nicht geben. Wie passt das zu Schwarz-Grün?

Es wird mir jetzt keiner mehr glauben, aber ich habe in Düsseldorf schon vorigen Sommer an Thessaloniki gedacht. Es war ein heißer Abend im Juli, die Sonne stand tief über dem Rhein. Das südliche Licht, die Straßencafés, die anspruchslosen Nachkriegsbauten, die den heiteren Grundton gleichwohl nicht störten: das alles erinnerte mich an einen Urlaub in Griechenlands zweiter Hauptstadt, sieben Jahre ist es nun her, eine Zwischenstation auf dem Weg zu den Mönchen vom Berg Athos.

Und jetzt liegt Nordrhein-Westfalen tatsächlich am Mittelmeer. Jedenfalls wird die Landtagswahl am Sonntag, wie auch immer sie ausgeht, nicht zuletzt eine Abstimmung über die Finanzhilfen für Griechenland sein. Das ließ sich in den vergangenen Wochen schon der Bild-Zeitung entnehmen.

Dass mir die Lektüre des Blattes normalerweise zu anstrengend ist, hatte ich schon mal erwähnt. In den vergangenen Wochen konnte ich dem Blatt gleichwohl nicht entgehen. Was die Bundeskanzlerin derzeit tue und unterlasse, vor allem aber was sie erkläre und worüber sie schweige: das alles habe derzeit wie noch nie mit der Boulevardpresse zu tun, hieß es.

Also schaute ich beim morgendlichen Aufschnüren der Zeitungspakete ausnahmsweise näher hin, und was ich sah, verwunderte mich sehr. Statt der gewohnten schwarzgrundigen Schlagzeile empfingen mich eckige blaue Buchstaben auf weißem Grund. Sie sahen der Leuchtreklame jener Restaurants auffallend ähnlich, die Athos oder Odysseus heißen und in Deutschland versalzenes und fetttriefendes Essen diskriminierenderweise als griechische Küche verkaufen.

Der Ausbruch des Volkszorns erstaunte mich umso mehr, als ich in meinem Freundeskreis die entgegengesetzte Erfahrung gemacht hatte. Nicht nur die Hilfe für die Griechen regte niemanden auf, auch über die Finanzkrise an sich machte sich kaum jemand Gedanken. Besonders taten sich hier die verbeamteten Lehrer hervor. Offenkundig war ihnen der Gedanke noch gar nicht gekommen, man könne sich wegen ökonomischer Konjunkturen Sorgen machen. Als ich einwandte, das Geld komme bei ihnen wohl aus dem EC-Automaten, waren sie allerdings ein wenig beleidigt.

Überflüssig zu betonen, dass die erwähnten Lehrer parteipolitisch zu den Grünen tendieren. Einer Partei, die sich um den Einfluss der griechischen Krise auf die kommende Wahl am allerwenigsten sorgt. Mit diesem gelassenen Postmaterialismus wird die Volkspartei CDU ihre Wählerbasis erst noch aussöhnen müssen – wenn es im griechisch gewordenen Düsseldorf doch noch zu einem schwarz-grünen Bündnis kommt.

Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz Foto: Archiv